Ausschlussklauseln und Mindestlohn

Freud und Leid! Ausschlussklauseln sind sowohl von Arbeitnehmern, als auch von Arbeitgebern ernst zu nehmen. Im Zuge des Mindestlohngesetzes hat die Rechtsprechung nun neue Anforderungen an die Formulierung von Ausschlussklauseln herausgearbeitet. Im Einzelnen:

Ausschlussklauseln finden sich heute eigentlich in jedem Arbeitsvertrag – meist am Ende zu Beginn der Schlussbestimmungen. Trotz des Platzes in der „zweiten Reihe“ der Vertragsbedingungen sind die Wirkungen der Ausschlussklauseln nicht zu unterschätzen. Die Klauseln führen zu einem vorzeitigen, schnellen Verfall von eigentlichen begründeten Ansprüchen im Arbeitsverhältnis. Die Untergrenze für zulässige Verfallsfrist beträgt dabei 3 Monate – nicht lang, insbesondere wenn man bedenkt, dass man ohne Verfallsklausel regelmäßig 3 Jahre Zeit hat, nicht befriedigte Ansprüche auch gerichtlich vor Eintritt der Verjährung geltend zu machen. Beachtet man die Ausschlussklauseln nicht, sind die Ansprüche unwiederbringbar verloren. Es lohnt sich also vor der Unterschrift eines Arbeitsvertrages nach möglichen Fallstricken und Ausschlussklauseln Ausschau zu halten, um nicht böse überrascht zu werden.

Wegen der erheblichen Folgen müssen Ausschlussklauseln jedoch besonderen formalen Anforderungen genügen. Die Klauseln dürfen sich z.B. nicht an versteckter Stelle unter unscheinbarer Überschrift (z.B. „Sonstiges“) finden, müssen Mindestfristen einhalten (grundsätzlich 3 Monate) und müssen Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen und grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Arbeitgebers ausdrücklich vom Verfall ausnehmen.

Nun hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 24.08.2016, 5 AZR 703/15) zudem klargestellt, dass auch Lohnansprüche nach dem Mindestlohngesetz, die in jedem (!!!) Lohnanspruch stecken, ausdrücklich von Ausschlussklauseln ausgeklammert werden müssen. Dies gilt zumindest für Verträge, die nach Einführung des Mindestlohngesetzes abgeschlossen wurden. Werden die Mindestlohnansprüche nicht ausdrücklich ausgenommen, ist die Ausschlussklausel insgesamt (!) unwirksam. Die Klausel entfaltet dann keinerlei Wirkung, so dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis noch bis zum Verjährungseintritt geltend gemacht werden können.

Arbeitgeber, die noch alte, lieb gewonnene Vertragsmuster verwenden, müssen daher nun aktiv werden. Arbeitnehmer können mit Ausschlussklauseln konfrontiert im Gegenzug entspannt durchatmen.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Arbeitszeugnis

Wir haben schon vor einigen Monaten den Aufbau, den Inhalt und die eigentümlichen Notenstufen des Arbeitszeugnisses diskutiert. Es haben sich – auch der deutschen Sprache zum Trotz – folgende Formulierungen für die dem Schulnotensystem entsprechenden Noten eingebürgert:

„stets zu unserer vollsten Zufriedenheit” = sehr gut;
“zu unserer vollsten Zufriedenheit”/ “stets zu unserer vollen Zufriedenheit” = gut;
“stets zu unserer Zufriedenheit”/”zu unserer vollen Zufriedenheit” = befriedigend;
“zu unserer Zufriedenheit” = ausreichend;
“im großen und ganzen zu unserer Zufriedenheit” = mangelhaft.

Die Rechtsprechung unterstellt, dass jeder Arbeitnehmer grundsätzlich dem Durchschnitt entsprechende Leistungen erbringt, was einer Note im Bereich des „befriedigend“ entspricht. Der Arbeitgeber greift also zunächst nicht fehl, wenn er dem Arbeitnehmer attestiert die ihm übertragenen Aufgaben zu seiner vollen Zufriedenheit erledigt zu haben. Wollen die Parteien von diesem sicherem Pfad nach oben (gut oder besser) oder nach unten abweichen (ausreichend und schlechter) abweichen, wird es kribbelig und dies vor allem zu Lasten des Arbeitnehmers. Dem Arbeitgeber reicht im Zweifel das „Befriedigend“. Meint der Arbeitnehmer allerdings, er hätte nicht nur durchschnittliche Leistungen und Fähigkeiten gezeigt, sondern wesentlich besser abgeschnitten, so hat er im Einzelnen darzulegen und im Streitfall zu beweisen, welche Umstände eine bessere Benotung rechtfertigen. Aber wie belegt man außerhalb von Klausuren mit Musterlösungen, dass man besser als der Durchschnitt war, den Betrieb mit umfassenden Fachwissen bereicherte und besonders engagierten und kompetenten Einsatz außerhalb eingetretener Pfade zeigte? nur selten wird man entsprechend gute Zwischenzeugnisse oder Zwischenbewertungen vorlegen können oder auf Kollegen als Zeugen zurückgreifen können, die den eigenen Vortrag zu Leistungsfähigkeit, Lösungs- und Sozialkompetenzen bestätigen können! es hilft dennoch nichts – das Bundesarbeitsgericht (BAG 9 AZR 584/13) hat erst im letzten Monat nochmals bestätigt, dass Ausgangspunkt im Zeugnisrecht das Befriedigend bleibt! das man in verschiedenen Branchen regelmäßig auf gute oder sehr gute Zeugnisse trifft, hilft nach Ansicht des BAG nicht weiter und führt zu keiner Abkehr von den vorstehenden Grundsätzen. Ebensowenig bringt der Hinweis weiter, dass Zeugnisse wohlwollend zu erteilen sind. Auch dies unterstreicht das BAG nochmals – Ein Zeugnis muss nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.

Streitigkeiten um das Zeugnis sind ärgerlich! beugen Sie vor! am Besten regelt man die Zeugnisfrage zusammen mit allen anderen Fragen rund um das Ende des Arbeitsverhältnisses. Suchen Sie das Gespräch! viele Arbeitgeber sind bei der Zeugniserteilung unsicher oder scheuen die damit verbundene Arbeit, sind also durchaus dankbar, wenn man vorschlägt, einen Zeugnisentwurf vorzulegen, der dann übernommen wird.

Bei der Überprüfung und Erstellung von Zeugnissen sind wir gerne behilflich!!!

Dr. Elke Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht

Fristlose Kündigung nach „Busengrapscher“

So und noch kurz vor den tollen Tagen … auch ein Busengrapscher rechtfertigt nach Einschätzung des Bundesarbeitsgerichts nicht automatisch die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses…

Damit wir uns nicht falsch verstehen, hier werden keine Freibriefe erteilt!

Das Bundesarbeitsgericht hält jedoch auch in Fällen einer unstreitig erfolgten sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz nicht in jedem Fall die fristlose Kündigung des belästigenden Arbeitnehmers für gerechtfertigt. Es komme auch bei entsprechenden Übergriffen auf die Umstände des Einzelfalls an, insb. den Umfang des Übergriffs und die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Die danach gebotene Bewertung der „Tatumstände“ des dem Bundesarbeitsgerichtes zur Entscheidung vorliegenden Falles rechtfertigte nach Auffassung der Richter keine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Zum Fall: Im Sommer 2012 trifft der Kläger, ein Kfz-Mechaniker, der bereits seit 16 Jahren bei der Beklagten beschäftigt ist, im Sozialraum des Betriebes auf eine externe Reinigungskraft. Während er sich am Spülbecken wäscht, kommt es zum Gespräch mit der Reinigungskraft. Die Äußerungen der Dame wertet der Kläger für sich als flirten, so dass er sich – nach eigenem Bekunden – dazu hinreißen lässt, der Reinigungskraft nach einem Hinweis, dass sie einen schönen Busen habe, an denselben zu fassen. Auf die Mitteilung, dass sie dies nicht wünsche, lässt der Kläger unverzüglich von der Dame ab. Auf den Vorfall wenig später von seinem Arbeitgeber angesprochen, räumt der Kläger den Übergriff ein, er habe sich wohl vergessen, ihm tue die Sache leid, entsprechende Vorfälle würden sich nicht nicht wiederholen. Auf Grundlage der durch den Arbeitnehmer bestätigten Angaben kündigte der Arbeitgeber noch am gleichen Tag das Arbeitsverhältnis fristlos. Gegen die ausgesprochene Kündigung erhebt der Kläger Kündigungsschutzklage. Parallel entschuldigte er sich bei der Reinigungskraft und zahlt dieser ein Schmerzensgeld.

Während das zunächst angerufene Arbeitsgericht die Kündigung noch für wirksam erachtete und die Klage des Klägers abwies, gingen das Berufungsgericht und nun auch das Bundesarbeitsgericht von einer unwirksamen fristlosen Kündigung aus. Die ausgesprochene Kündigung war unverhältnismäßig. Der Arbeitgeber hätte mit einer Abmahnung auf das Verhalten des Klägers reagieren können und müssen. Zwar läge ein sexueller Übergriff des Arbeitnehmers auf die Reinigungskraft vor, Anhaltspunkte dafür, dass auch nach einer Abmahnung mit einer Wiederholung des gezeigten Verhaltens gerechnet werden müsste, wären jedoch nicht gegeben. Der Kläger habe sein Fehlverhalten auf Ansprache sofort eingeräumt und sein Bedauern zum Ausdruck gebracht. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch unter Berücksichtigung des bisher störungsfrei verlaufenden Arbeitsverhältnisses letztlich nicht so schwer, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre.

Dr. Elke Benzenberg, Rechtsanwältin – Fachanwältin für Arbeitsrecht & Verkehrsrecht

Verdachtskündigung

Fristlose Kündigung – manchmal reicht auch schon der „bloße“ Verdacht

Nicht nur der objektiv schwerwiegende Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag kann die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Auch der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund für den Ausspruch der fristlosen Kündigung i. S. des § 626 BGB bilden. Ein entsprechender Verdacht begründet gegenüber dem objektiv gegebenen Pflichtenverstoß einen eigenständigen Kündigungsgrund (sog. Verdachtskündigung).

Da bei Verdachtskündigungen die erhöhte Gefahr letztlich unberechtigter, vorschneller Kündigungen besteht, stellt die Rechtsprechung an deren Wirksamkeit erhöhte Anforderungen: Die Kündigung setzt zunächst voraus, dass objektive Tatsachen vorliegen, die geeignet sind, den dringenden Verdacht auf einen schwerwiegenden Verstoß zu begründen. Nach den Umständen muss eine große Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des bestehenden Verdachts bestehen. Die Verdachtsmomente müssen als solche zudem geeignet sein, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören. Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen, insbesondere muss er dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme geben, der Arbeitnehmer muss Gelegenheit erhalten, den bestehenden Verdacht zu entkräften.

Verdachtskündigungen sind nicht nur in normalen Arbeitsverhältnissen zulässig. Auch in Ausbildungsverhältnissen, die nach dem Willen des Gesetzgebers einen erhöhten Bestandsschutz genießen und nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig sind, kann eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Dies hat das BAG in der letzten Woche ausdrücklich bestätigt (Urteil vom 18.02.2015; Az. 6 AZR 845/13). Im zugrunde liegenden Fall ging es um einen ehemaligen Bank- Auszubildenden, der sich gegen seine fristlose Kündigung wendete. Der Kläger wurde im Sommer 2011 in einer Filiale der ausbildenden Bank zur Unterstützung angefordert: Der Kläger öffnete hier die Nachttresor-Kassetten alleine und zählte das darin befindliche Geld mittels Zählmaschine. Durch die Zentralbank wurde für diesen Tag ein Kassenfehlbestand in Höhe von 500 € festgestellt. Diesen Fehlbestand konnte der Kläger in der folgenden Anhörung durch seinen Ausbilder nicht erklären, vielmehr offenbarte er im Rahmen des Gesprächs, in dem er auf einen Fehlbestand angesprochen wurde, mit der spontanen Nennung des konkreten Fehlbetrages von 500,00 € Täterwissen. Zudem räumte er bei dieser Gelegenheit ein, spielsüchtig zu sein – bereits im Frühjahr des Jahres 2011 hatte der Kläger den Besuch der Berufsschule zugunsten des wohl suchtbedingten Besuchs von Spielhallen „gebläut“.
Die danach von der betroffenen Bank ausgesprochene Verdachtskündigung ist von allen Instanzen für wirksam erachtet worden. Nach der Beweiserhebung bestand für die Beklagte der dringende Verdacht, dass sich der Kläger den fehlenden Geldbetrag in Höhe von 500,00 € zugeeignet hatte. Dieser Verdacht war an sich geeignet, das für die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses unabdingbare Vertrauen zu zerstören und die ausgesprochene außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte habe zureichende Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhaltes getroffenen, insb. habe sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört. Eine Abmahnung war nach den Umständen des Falls entbehrlich. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen konnte der Beklagten aufgrund des dringenden Tatverdachts jede weitere Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden.

Die Hürden für Verdachtskündigungen sind hoch; der Ausspruch von Verdachtskündigungen ist daher auch besonders fehleranfällig … eine Überprüfung kann sind lohnen.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Aufhebungsverträge

…..und ihre Tücken

Arbeitsverhältnisse müssen nicht nur in Folge einer Kündigung ihr Ende finden. Ändern sich die Lebensumstände kann es manchmal auch sinnvoll sein, eine einvernehmliche und umfassende Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Erwägung zu ziehen, mit der alle offenen Fragen anlässlich der Beendigung des Arbeitsvertrages, z.B. die Gewährung von Resturlaubstagen, die Zeugniserteilung und das Schicksal von Gratifikationen, geklärt werden können. Damit schlägt man nicht alle Türen zu; vielleicht führt der Weg noch einmal zurück.

Aufhebungsverträge sind jedoch nicht ohne Tücken.

Aufhebungsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform – auf einer Vertragsurkunde müssen sowohl der Arbeitgeber, als auch Arbeitnehmer unterschreiben.

Mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags droht für den Arbeitnehmer regelmäßig die Verhängung einer Sperre bei der Agentur für Arbeit. Die Aufgabe der Arbeitsplatzes im Zuge des Abschlusses des Aufhebungsvertrages gilt als versicherungswidriges Verhalten. Die Sperre kann nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewendet werden, hierfür muss der Vertrag Mindestbedingungen erfüllen. Die Aufhebung muss anlässlich einer sonst drohenden anderweitigen Beendigung des Arbeitsvertrages erfolgen; die für beide Parteien geltende Kündigungsfrist muss eingehalten werden, Abfindungszahlungen müssen sich im Rahmen halten. Verkürzen die Parteien die maßgebende Kündigungsfrist und gewähren dazu eine Abfindung droht nicht nur eine Sperre beim Arbeitslosengeldbezug, sondern darüber hinaus die Anrechnung der zugesagten Zusatzzahlungen auf das Arbeitslosengeld. Die Zusatzzahlungen sind ggfls. zunächst zu verbrauchen.

Enthält die Aufhebungsvereinbarung die Zusage einer Abfindungszahlung sollten Regelungen zur Fälligkeit und zur Vererblichkeit des Anspruchs enthalten.

Der abgeschlossene Aufhebungsvertrag ist grundsätzlich bindend. Ein nachträgliches Lösen ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages kommt z.B. in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Abschluss des Vertrages unter der wahrheitswidrigen Behauptung einer andernfalls drohenden – fristlosen Kündigung forciert. Klassischer Anwendungsfall ist der Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen anlässlich eines im Raum stehenden Straftatverdachtes. Ist der Anlass für eine fristlose Kündigung tatsächlich nicht gegeben, kann sich der Arbeitgeber nicht des Verdachtes bedienen, um den Abschluss des Aufhebungsvertrages schmackhaft zu machen.

Bei Fragen zu möglichen Gestaltungsmöglichkeiten einer Aufhebungsvereinbarung, der Wirksamkeit geschlossener Vereinbarungen oder der Anfechtbarkeit entsprechender Verträge, stehen wir gerne zur Verfügung.

Dr. Elke Benzenberg, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Arbeitsrecht: Diebstahl

… geringwertiger Gegenstände oder der Biss in das falsche Brötchen…

Was strafrechtlich regelmäßig noch mit einem blauen Auge in Form einer Einstellung endet, kann im Arbeitsrecht schnell fatale Folgen haben.

Nach gefestigter Rechtsprechung kann der Diebstahl geringwertiger Gegenstände, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen: Einem Arbeitnehmer muss grundsätzlich bewusst sein, dass der Arbeitgeber Eigentums- und Vermögensdelikte zu seinen Lasten nicht hinnehmen wird. Der Arbeitgeber muss sich darauf verlassen können, dass sich der Arbeitnehmer nicht an den ihm zur Erbringung seiner Arbeitsleistungen zur Verfügung gestellten Materialien und Produktionsmitteln „vergreift“. Daher ist es auch im Ausgangspunkt unerheblich, welchen Wert der entwendete oder unterschlagene Gegenstand hat. Das hat die Rechtsprechung in Fällen um die Unterschlagung eines Pfand-Bon über einen kleineren Cent-Betrag, der Diebstahl eines Bienenstichs aus der Auslage eines Restaurants, einzelner Obstteile oder einem Lippenstift jeweils ausdrücklich betont. Maßgeblich ist in diesen Fällen jeweils, dass mit dem Angriff auf die Werte des Arbeitgebers die notwendige Vertrauensbasis für das Arbeitsverhältnis entfällt oder aber zumindest erheblich gefährdet wird.

Die Feststellung oder der konkrete Verdachte eines Diebstahl geringwertigen Gegenstandes ist allerdings nur die erste Stufe. Eine fristlose Kündigung greift nach dem Diebstahl letztlich nur dann wenn die Abwägung der Umstände des Einzelfalls, wie z.B. der Wert des Gegenstands, der bisherige Verlauf und Dauer des Arbeitsverhältnisses, das „Nachtatverhalten“ des Arbeitnehmers, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, ein weiteres Festhalten des Arbeitgebers unzumutbar erscheinen lassen. Die Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit muss entfallen sein.

Eine entsprechende Abwägung hat in der zurückliegenden Woche das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 01.07.2015, Az. 27 Ca 87/15) bewogen, die fristlose Kündigung einer Krankenschwester für unwirksam zu erklären. Die Krankenschwester, die 23 Jahre im Betrieb der Beklagten ohne Vorkommnisse beschäftigt war, hatte für externe Pflegekräfte bestimmte belegte Brötchenhälften an sich genommen und mit Kolleginnen verzehrt. Die Wegnahme aus einem Raum für externe Kräfte erfolgte dabei für Dritte und Kollegen offensichtlich, wohl auch im Vertrauen auf eine vermeintlich bestehende Praxis auf die bereitgestellten Brötchen zurückgreifen zu können. Nach den Ausführungen des Gerichts war der mit der Wegnahme der Brötchen festzustellende Verstoß gegen arbeitsvertragliche Treuepflichten nicht geeignet, das über Jahre erarbeitete Vertrauen vollständig zu zerstören. Zugunsten der Klägerin brachte das Gericht zudem in Ansatz, dass sich diese nach der Tat einsichtig gezeigt hatte. Zudem unterstellte das Gericht, dass die Schwester mit der Tat nicht nur eigennützige Motive verfolgte, sondern die Einsatzbereitschaft ihrer Schicht in den Morgenstunden aufrechterhalten wollte.

Bei Kündigungen wegen des Diebstahls geringwertiger Gegenstände ist daher besondere Aufmerksamkeit geboten – sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite. Der Vorwurf geringwertiger Gegenstände ist kein „Selbstläufer“

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht Bocholt

Überstunden – Hä Chef, wo bleibt das Geld?

Überstunden und deren Vergütung … kein leichtes Pflaster, daher heute einige allgemeine Bemerkungen zum Problemkreis

Überstunden leistet der Arbeitnehmer, wenn er über die arbeitsvertraglich (oder tariflich) vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitet. Eine Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden besteht dabei grundsätzlich nur dann, wenn der Arbeitsvertrag oder der Tarifvertrag eine entsprechende Bereitschaft des Arbeitsnehmers oder eine entsprechend konkretisierte Weisungsbefugnis des Arbeitgebers festhält („der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, im Bedarfsfall Überstunden zu leisten“ o.Ä.). Fehlt eine solche Klausel, schuldet der Arbeitnehmer keine Überarbeit.

Dass ein Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang erbringt, begründet allerdings noch nicht automatisch einen zusätzlichen Entgeltanspruch. Ein Arbeitgeber muss sich „Überstunden“ nicht aufdrängen lassen. Zur Vergütung von Überstunden ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst oder diese gebilligt oder geduldet hat. Relevant sind Überstunden also nur, wenn sie mit „Wissen und Wollen“ des Arbeitgebers geleistet wurden.

Tarifverträge sehen für die Vergütung von Überstunden, insb. wenn diese in den Abend-/Nachtstunden oder an Wochenenden abgeleistet werden, die Zahlung eines Zuschlags zum Grundlohn für die Arbeitsstunde vor. Zwingend ist die Zahlung von Zuschlägen für die einzelne Überstunde allerdings nicht. Fehlen besondere Entgeltregelungen, so ist auch die Überstunde „nur“ mit dem Grundlohn zu vergüten.

Teilweise beinhalten Arbeitsverträge Klauseln, wonach anfallende Überstunden mit dem (für die regelmäßige Arbeitszeit) vereinbarten Arbeitsentgelt insgesamt als abgegolten gelten. Wird die Anzahl der danach vom Grundgehalt mitumfassten Überstunden nicht beziffert, sondern alle Überstunden pauschal abgegolten, ist die betreffende Vertragsklausel im Regelfall unwirksam. Die anfallenden Überstunden sind – ungeachtet der Abgeltungsklausel – vom Arbeitgeber zu vergüten.

Unter der Geltung des Mindestlohngesetzes sind Überstunden – jedenfalls mit dem gesetzlichen Mindestlohn – innerhalb einer kurzen Frist zu vergüten. Nur unter engen Voraussetzungen können Überstunden durch ein schriftlich zu vereinbarendes Zeitkonto weiter geschrieben werden.

Besteht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Streit über den Anfall und die Vergütung von Überstunden, obliegt es zunächst dem Arbeitnehmer den Anfall von Mehrarbeit sowie die Anordnung oder Duldung durch den Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen. Dabei reicht der pauschale Hinweis auf regelmäßige Mehrarbeit nicht aus. Gibt es feste Arbeitszeiten, ist anzugeben, wann (Tag und Stunde) und in welchem Umfang er mit welchen Arbeiten außerhalb dieser Arbeitszeit tätig geworden ist. Sind keine festen täglichen Arbeitszeiten festgelegt, ist genau nach Tag und Stunde einschließlich gemachter Pausen aufzuschlüsseln, welche Arbeiten im Einzelnen ausgeführt wurden. Fehlt eine ausdrückliche Überstundenanordnung des Arbeitgebers ist anzugeben, dass und warum die geleisteten Überstunden zur Erfüllung welcher Aufgaben erforderlich waren bzw. der Arbeitgeber die Mehrarbeit zur Kenntnis genommen hat. Es reicht also nicht aus, lediglich mitzuteilen, dass man erst eine Stunde nach Büroschluss Feierabend gemacht hat. Auch die Aufzeichnungen aus einem vorhandenen Zeiterfassungssystem reichen als solches nicht aus, um Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung zu begründen. Es empfiehlt sich daher, gerade für Arbeitnehmer ohne einen festen Tagesablauf (insb. Kraftfahrer) konkret festzuhalten, wie sich der Arbeitstag mit welchen Aufgaben und Pausen gestaltet! Nur dann kann den hohen Anforderungen der Rechtsprechung im Bereich der Überstunden Rechnung getragen werden.

Auch bei Überstundenvergütungen sind schließlich im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussklauseln zu berücksichtigen: auch Ansprüche auf Überstundenvergütung müssen kurzfristig geltend gemacht werden (hierfür sprechen wegen der beschriebenen besonderen Darlegungslast auch praktische Geschichtspunkte: nach langer Zeit wird man den Anfall von Überstunden kaum noch nachzeichnen können).

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht Bocholt

10 + 1 Mythen des Arbeitsrechts

In der Beratungspraxis ist man (bzw. Frau) manchmal überrascht, welche Fehlvorstellungen sich in Bezug auf Einzelfragen des Arbeitsrechts sowohl auf Arbeitgeber-, als auch auf Arbeitnehmerseite hartnäckig halten. Weil die Folgen durchaus weitreichende Konsequenzen haben können, versuchen wir uns heute einmal an einer kleinen Entmystifizierung.

Mythos 1: Bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung.

Einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Abfindung gibt es grundsätzlich nicht. Allein die Kündigung durch den Arbeitgeber begründet insoweit keine zusätzlichen finanziellen Ansprüche. Eine Abfindung kann allenfalls zwischen den Arbeitsvertragsparteien verhandelt werden. Regelmäßig werden Abfindungszahlungen im Rahmen arbeitsgerichtlicher Verfahren thematisiert, allerdings nur dort, wo die Wirksamkeit einer erklärten Kündigung zweifelhaft erscheint. Liegen Gründe zur Rechtfertigung der Kündigung vor und sind die formalen Anforderungen an die Kündigung eingehalten, ist eine Grundlage für eine Abfindungszahlung nicht gegeben.

Mythos 2: Eine Kündigung bedarf stets eines Kündigungsgrundes.

Ob eine Kündigung eines Kündigungsgrundes bedarf, hängt davon ab, ob der besondere Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes greift. Nur in Betrieben mit regelmäßig mehr als 10 (Vollzeit-) Mitarbeitern gilt für (Teilzeit- und Vollzeit-) Arbeitsverhältnisse, die länger als 6 Monate bestehen, das Kündigungsschutzgesetz. Nur für diese Arbeitsverhältnisse gilt eine besondere Rechtfertigungspflicht für Kündigungen, wobei die Kündigungsgründe selbst nicht im Kündigungsschreiben angegeben werden müssen und im Zweifel auch nicht mitgeteilt werden sollen. Bei Arbeitsverhältnissen unterhalb der genannten Schwellwerte, muss der Arbeitgeber lediglich die Schriftform der Kündigung wahren und die Kündigungsfrist für das Arbeitsverhältnis einhalten.

Mythos 3: Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform.

Auch ohne schriftlich niedergelegte Arbeitsbedingungen kann ein Arbeitsvertrag durch mündliche Übereinkunft über die vertragswesentlichen Bestandteile (Arbeitsleistung gegen Entgelt für weisungsbefugten Arbeitgeber) zustande kommen. Das Nachweisgesetz sieht zwar eine Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation des Vertrages vor, diese ist jedoch nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für den Arbeitsvertrag. Bei (zeitlich) befristeten Arbeitsverträgen ist allerdings die Schriftform erforderlich, um das Arbeitsverhältnis als lediglich befristet begründen zu können. Wird hier die Schriftform nicht eingehalten, besteht ein zeitlich unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Mythos 4: Kündigungen können auch mündlich ausgesprochen werden.

Früher durften Mitarbeiter in der Tat mit einem knackigen, „Sie können sich Ihre Papiere abholen“ nach Hause geschickt werden. Aber Zeiten ändern sich, heute ist zur Wirksamkeit der Kündigung die Schriftform zwingend zu wahren. Die Kündigung ist schriftlich zu formulieren, vom Arbeitgeber zu unterschreiben und dem Arbeitnehmer im Original zu übergeben/übersenden. Allein mündlich kann das Arbeitsverhältnis (von beiden Seiten) nicht mehr beendet werden. Dies gilt auch bei einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, auch diese ist zu Papier zu bringen und von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu unterschreiben.

Mythos 5: Drei Abmahnungen berechtigen den Arbeitgeber zur Kündigung.

Mathematische Formeln für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gibt es nicht. Bei Arbeitsverhältnissen, die der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes nicht unterliegen, bedarf es nicht einmal einer Abmahnung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. Mythos 2). Bei allen anderen Arbeitsverhältnissen ist im Einzelfall zu prüfen, ob den Abmahnungen gleichartige Verstöße gegen den Arbeitsvertrag zugrunde liegen, wie lange die Abmahnungen zurückliegen, wie lange das Arbeitsverhältnis ungetrübt besteht, wie schwer die abgemahnten Verstöße wiegen und ob die Abmahnungen formal ordnungsgemäß ausgesprochen wurden. Es ist danach eine bewertende Betrachtung durchzuführen. Manchmal mag zum Ausspruch der Kündigung nur eine weitere Abmahnung genügen, in anderen Fällen vermögen möglicherweise auch eine Vielzahl weiterer Abmahnungen die Kündigung nicht zu rechtfertigen.

Mythos 6: Während einer Erkrankung können Arbeitnehmer nicht gekündigt werden.

Auch wenn der Arzt Ruhe und Schonung verordnet haben sollte, steht dies einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Auch wenn der Arbeitgeber weiß, dass der Arbeitnehmer stationär behandelt wird, darf er dem Arbeitnehmer eine schriftliche Kündigung an seine Heimatadresse senden. Die Kündigung geht – zumindest tagsüber während der regulären Zustellzeiten der Post – mit dem Einwurf in den Briefkasten des Arbeitnehmers zu; einer tatsächlichen Kenntnisnahme der Kündigung durch den Arbeitnehmer bedarf es nicht. Sollte man als Arbeitnehmer länger ortsabwesend sein, so sind also Vorkehrungen zu treffen, die eine regelmäßige Kontrolle und Weitergabe der Posteingänge gewährleisten.

Mythos 7: Während einer Erkrankung darf man die Wohnung nicht verlassen.

Was für die Wiedergenesung erforderlich ist, bestimmt der behandelnde Arzt und nicht der Arbeitgeber. Während der Krankschreibung sind danach alle Tätigkeiten erlaubt, die den Heilbehandlungserfolg nicht verzögern oder gefährden. Auch ein Spaziergang oder ein Treffen mit Freunden sind insoweit nicht ohne Weiteres zu beanstanden. Die zulässige Grenze aushäusiger Tätigkeit ist dann überschritten, wenn während der Krankschreibung tatsächliche (für Dritte) gearbeitet wird, z.B. der krank geschriebene Mitarbeiter auf der Baustelle eines Freundes aushilft. Lässt man sich bei solchen Tätigkeiten erwischen, kann auch die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses drohen.

Mythos 8: Überstunden sind mit Zuschlägen zu vergüten.

Eine gesetzliche Verpflichtung, Überstunden mit einem Zuschlag auf den Grundlohn zu vergüten, besteht nicht. Lediglich bei regelmäßiger Nachtarbeit gibt es insoweit gesetzliche Vorgaben. Sollte also weder im Arbeitsvertrag, noch in einem auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifvertrag eine besondere Vergütungspflicht statuiert sein, so ist auch die geleistete „Überstunde“ nur mit dem regelmäßigen Stundenlohn zu vergüten.

Mythos 9: 450,00 €-Kräfte haben weder Anspruch auf Entgeltfortzahlung, noch auf Urlaub.

Mini-Jobber stehen in einem Teilzeit-Arbeitsverhältnis. Bis auf die reduzierte Arbeitszeit und die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht handelt es sich auch bei diesen Beschäftigungsverhältnissen um ein vollwertiges Arbeitsverhältnis. Dies bedeutet, dass Anspruch auf Urlaub und nach 4wöchigem Bestand des Arbeitsverhältnisses auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht. Die oft geübte Praxis, in diesen Fällen keinen Lohn zu zahlen, ist unzulässig.

Mythos 10: Nur wer arbeitet, hat auch Anspruch auf Urlaub.

Die Grundidee mag stimmen, dass nur diejenigen, die arbeiten, Anspruch auf Erholungsphasen haben. Aber auch Arbeitnehmer, die längerfristig erkrankt sind, also ihrer regulären Beschäftigung nicht nachgehen können, haben Anspruch auf Urlaub. Besteht die Arbeitsunfähigkeit über Jahre, können auch über Jahre Urlaubstage von dem erkrankten Mitarbeiter „angespart“ werden. Endet das Arbeitsverhältnis, ohne Möglichkeit diese Urlaubstage in gesunden Zeiten während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu nehmen, sind die nicht verfallen Ansprüche finanziell abzugelten.

Mythos 11: Heiligabend und Silvester sind nur halbe Arbeitstage.

Weder der Heilige Abend, noch Silvester sind nach den gesetzlichen Bestimmungen Feiertage. Damit ist an diesen Tagen grundsätzlich regulär zu arbeiten, auch wenn dies in vielen Betrieben anders gehandhabt wird und die Mitarbeiter allenfalls einen halben Tag zur Arbeit erwartet werden.

Bei weiteren (Detail-)Fragen rund um das Arbeitsrecht helfen wir gerne weiter.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht, Bocholt

Arbeitsrecht: personenbedingte Kündigung

Kündigung trotz/wegen Erkrankung des Arbeitnehmers – die sog. personenbedingte Kündigung

Unterfällt ein Arbeitsverhältnis dem Schutz des Kündigungsschutzgesetzes, so bedarf dessen Kündigung nicht nur der Einhaltung der Kündigungsfrist, sondern auch des Vorliegen eines besonderen Kündigungsgrundes. Einen möglichen Rechtfertigungsgrund bildet der Verlust der Fähigkeit des Arbeitnehmers, die arbeitsvertraglich von ihm geschuldete Leistung auch künftig ganz oder zum Teil zu erbringen. Wie es zu einem Verlust der notwendigen Eignung und Fähigkeiten gekommen ist, ist hierbei im Grundsatz unerheblich. Der Arbeitnehmer braucht den Verlust nicht selbst verschuldet zu haben, ausreichend ist so z.B. auch eine Erkrankung, die es dem Arbeitnehmer unmöglich macht, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Kündigung wegen dauerhafter Erkrankung oder häufiger Kurzerkrankungen bildet sogar den Hauptanwendungsfall der sog. personenbedingten Kündigung. Krankheitsbedingte Kündigungen setzen im Einzelnen folgendes voraus:

(1) sog. negative Prognose – im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung müssen Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass der Arbeitnehmer auch künftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr dauerhaft erfüllen kann (stellt sich diese Prognose später als falsch heraus, ist dies für sich genommen unerheblich);

(2) die bisherige und zu erwartende gesundheitliche Entwicklung muss zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen – die Erkrankung des Arbeitnehmers führt wegen der Entgeltzahlungsfortzahlungspflicht zu erheblichen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers oder bedingt organisatorische Störungen, die nicht durch eine Umverteilung oder Neueunstellung etc. kompensiert werden können;

(3) die durch die Erkrankung bedingten Beeinträchtigungen müssen auch unter Berücksichtigung des bisherigen Bestands und Verlaufs des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht mehr hinnehmbar erscheinen. Der Arbeitnehmer kann auch nicht zumutbar – unter Berücksichtigung seines „Krankheitsbildes“ – an anderer Stelle im Betrieb eingesetzt werden.

Die Hürden zur wirksamen Begründung einer personenbedingten Kündigung sind durchaus beachtlich, so dass man als Arbeitnehmer nicht bei jedem Schnupfen, um seinen Arbeitsplatz fürchten muss; Arbeitgeber können dagegen nicht ohne ausreichende Vorbereitungen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklären.

Bei der personenbedingten Kündigung spielt offensichtlich in zunehmenden Maße das sog. betriebliche Wiedereingliederungsmanagement eine wichtige Rolle. Ist ein Arbeitnehmer mehr als 6 Wochen im Jahr erkrankt, muss der Arbeitgeber zwingend klären, durch welche Maßnahmen (Hilfsmittel, Umorganisation etc.) der Krankenstand des Arbeitnehmers überwunden werden kann. Unterlässt der Arbeitgeber diese Hilfestellungen, kann eine gleichwohl ausgesprochene Kündigung bei Erkrankung unwirksam sein.

So hat das LAG Berlin (Az. 28 Ca 9065/15) am 16.10.2015 die Kündigung eines seit einem Jahr an Krebs erkrankten Mitarbeiters für unwirksam erklärt. Das Gericht hielt nochmals fest, dass der Arbeitgeber im Fall einer länger als 6 Wochen andauernden Erkrankung ein betriebliches Eingliederungsmanagements (BEM) mit dem Ziel der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers durchzuführen hat. Der Arbeitgeber müsse hierbei prüfen, ob und ggf. in welcher Weise der Arbeitnehmer (wieder) beschäftigt werden kann. Im Rahmen der Prüfung habe der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer das Gespräch zu führen. Zu untersuchen seien mit Blick auf gegebene Einschränkungen des Arbeitnehmers eine Änderung oder Umgestaltung des Arbeitsplatzes, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, um weitere Ausfälle des Arbeitnehmers zu vermeiden.

Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber überhaupt kein BEM durchgeführt. Er habe sich nach Auffassung des Gerichts damit nicht hinreichend mit der Frage der leidensgerechten Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes und einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers an anderer Stelle im Betrieb auseinandergesetzt. Die erklärte Kündigung (als letztes Mittel) sei deshalb unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam.

Behalten Sie daher (Ihre) Krankentage im Blick.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht, Bocholt