Behandlungsfehler

– 50.000,00 € Schmerzensgeld für den Verlust des Unterarmes

…auch blaue Flecken sollte man nicht unterschätzen!

Das hat Oberlandesgericht Hamm als Berufungsinstanz nun in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 13.06.2017, Az. 26 U 59/16) einem Arzt ins Pflichtenbuch geschrieben und ihm wegen eines Diagnose- und damit Behandlungsfehlers zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 50.000,00 € verurteilt. Nach den Angaben in der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm hatte sich der Kläger und Berufungskläger unfallbedingt Prellungen des rechten Unterarmes und der rechten Hand zugezogen. Nach entsprechenden Feststellungen wurden die Prellungen in der Form behandelt, dass der betroffene Arm mit Hilfe einer Gipsschiene zunächst ruhig gestellt wurde. Im Rahmen der Nachbehandlung stellte sich Kläger eine Woche später bei den verklagten Hausärzten vor: bei der Vorstellungen zeigte sich eine deutliche Schwellung des Unterarmes, zudem klagte der Kläger wohl über Bewegungseinschränkungen und erhebliche Schmerzen. Durch die Ärzte wurde hierauf lediglich die Gipsschiene erneuert und Schmerzmittel verordnet. Die Beschwerden ließen offensichtlich nicht nach, ganz im Gegenteil verschlimmerte sich der Zustand des Klägers. Einige Tage später war der Arm insgesamt dick angeschwollen und stark druckempfindlich. Nach entsprechenden Überweisungen wurde durch die Ärzte in einem aufgesuchten Klinikum schließlich ein sog. Kompartmentsyndrom festgestellt. Hierbei steigt der Druck im Gewebe, z.B. nach einem Hämatom, so stark an, dass dieses nicht mehr richtig durchblutet wird. Die Folgen des zunächst nicht erkannten Kompartmentsyndrom für den Kläger waren erheblich: der Arm musste im Zuge der weiteren Behandlung amputiert werden.

Nach den Wertungen des Berufungsgerichtes hätten die Hausärzte nach den beklagten Beschwerden (Schwellung, Bewegungseinschränkung, Schmerzen) eine Woche nach dem Unfall das Vorliegen eines Kompartmentsyndrom in Erwägung ziehen und ggfls. durch Hinzuziehung von Fachärzten abklären müssen. Das Unterlassen einer entsprechenden Befundung stelle aufgrund der schwerwiegenden Erkrankung und den drohenden massiven Folgen einen schweren Behandlungsfehler dar. Dieser Behandlungsfehler bzw. dessen lebenslangen, schwerwiegenden Folgen rechtfertigen nach Ansicht der Richter in der zweiten Instanz die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 50.000,00 €.

Auch Ärzte machen Fehler. Beschwerden können unterschiedliche Ursachen haben, nicht immer ist eine mögliche Diagnose die richtige Diagnose. Verbleiben Zweifel, bestehen Anzeichen auch für andere Erkrankungen mit ganz erheblichen Gefahren, muss der hinzugezogene Arzt diesen nachgehen und weitere Untersuchungen durchführen oder einleiten. Tut er dies nicht – wie im vorliegenden Fall – verletzt er Pflichten aus dem bestehenden Behandlungsvertrag und muss bei entsprechenden Gesundheitsschäden und Schäden Schmerzensgeld und Schadenersatz leisten.

Was der Arzt da mit einem anstellt oder nicht „anstellt“, wird man als Patient kaum richtig mitbekommen, insb. dann wenn man in Narkose auf einem OP-Tisch liegt. Jeder Patient hat jedoch Anspruch auf Einsicht in seine Behandlungsunterlagen. Nach entsprechender Anforderung können diese auch rechtlich geprüft und ausgewertet werden. Bei der fachlichen medizinischen Beurteilung, ob die Behandlung „lege artis“ ausgeführt wurde, helfen Krankenkassen und/oder das (für Patienten kostenfreie) Gutachterverfahren der Ärztekammer.

Wir beraten Sie bei dem Verdacht von Behandlungsfehlern.

Schmerzensgeld

– die Details machen es!

In der zurückliegenden Woche sprach das Landgericht Köln dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl für die Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes durch die „unabgesprochenen“ Veröffentlichungen seines ehemaligen Ghostwriters ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000.000,00 € zu. Auch wenn nach Angaben der Presse wohl ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000.000,00 € eingeklagt war (die Klage also in weiten Teilen ohne Erfolg blieb), ist die ausgeurteilte Summe beachtlich: In Deutschland werden selbst bei schwersten körperlichen Verletzungen vergleichbare Beträge nur äußerst selten zugesprochen. Welche Gesichtspunkte bei der Bemessung des Kohl-Schmerzensgeldes maßgeblichen Einfluss genommen haben, muss man abwarten. Wir hoffen auf eine vollständige Veröffentlichung des Urteils.

Die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten ist auch rechtsdogmatisch ein Sonderfall. Das Gesetz kennt Schmerzensgeldansprüche ausdrücklich nur bei einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, bei Freiheitsentziehung und der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (z.B. im Fall sexueller Nötigung oder in Vergewaltigungs-Fällen), vgl. § 253 BGB. Mit der Zuerkennung von Schmerzensgeldansprüchen soll der Verletzte einen Ausgleich für die erlittenen Verletzungen und Schmerzen erhalten; mit dem Schmerzensgeld soll er in die Lage versetzt werden, sich zumindest für die eingetretenen Beeinträchtigungen Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen (vgl. Palandt/Grüneberg, § 253 BGB Rn. 4). Daneben soll dem Verletzten Genugtuung verschafft werden. Was konkret aufzuwenden ist, um einen entsprechenden Ausgleich leisten zu können und dem Opfer Genugtuung zu verschaffen, sagt das Gesetz leider nicht. Eine verbindliche, allgemein gültige Schmerzensgeldtabelle, in der festgeschrieben wird, welches Schmerzensgeld beispielsweise bei einem gebrochenen Arm, bei einem HWS-Trauma, einer Ohrfeige o.Ä. zu leisten ist, existiert nicht. Nach einer gesetzlichen Gliedertaxe, mit deren Hilfe einzelne oder mehrere Verletzungen bewertet und aufaddiert werden könnten, sucht man vergebens. Die Bemessung der Höhe eines zu leistenden Schmerzensgeldes steht vielmehr im Ermessen des im Streitfall mit der Entscheidung betrauten Gerichts, das sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes allerdings an Entscheidungen anderer Gerichte in vergleichbaren Fällen zu orientieren hat. Vergleichbare Verletzungen sollen vergleichbare Schmerzensgeldbeträge gewähren.

Annähernd vergleichbare Fälle sucht man allerdings zumeist vergebens. Getreu dem Motto „jeder Fall ist anders“ – weichen, Lebensläufe, Tatumstände und Verletzungsfolgen regelmäßig voneinander ab. Andere gerichtliche Entscheidungen können daher nur einen ersten Ausgangspunkt bilden. Wichtig ist daneben, Unterschiede, insb. zusätzliche Beschwerungen herauszuarbeiten, um zu dem in Einzelfall angemessenen Betrag zu gelangen. Mögliche Faktoren für die Schmerzensgeldbemessungen können z.B. die erlittenen Verletzungen, die Dauer der notwendigen Heilbehandlung, verbleibende Dauerschäden, die Gefahren von Spätschäden (die sich derzeit noch gar nicht abzeichnen), die Umstände der Tat, die Auswirkungen der Verletzungen auf das soziale Leben, Heilungschancen, Belastungen durch die notwendige Heilbehandlung, das Alter des Opfers, bilden. Wichtig ist hierbei der ausreichende Vortrag: Gerade im außergerichtlichen Bereich und im Bereich von Verkehrsunfällen muss dem Schädiger bzw. dem Sachbearbeiter einer bestehenden Versicherung eine am Besten bildhafte Vorstellung der bestehenden Beeinträchtigungen vermittelt werden (was im Einzelfall auch die Vorlage von Fotos der erlittenen Verletzungen bedingen kann), will man ein entsprechend hohes Schmerzensgeld zu erstreiten. Nicht zuletzt mit dem Blick, dass gerade im außergerichtlichen Bereich durch entsprechend geschickte Argumentation, oft ein „gutes“ Schmerzensgeld erstritten werden kann, sollten frühzeitig alle Register und Argumente gezogen werden. Wir helfen hierbei gerne.

Zum Abschluss des Themas ein kleiner Schmerzensgeldüberblick – zitiert nach Hacks/Wellner/Häcker

– 19 jähriges Opfer, Oberarmbruch mit 6tägiger stationärem Aufenthalt, Komplikationen im Heilbehandlungsverlauf, erhebliches Mitverschulden des Opfers
Schmerzengeld nach OLG Saarbrücken (Urteil v. 01.03.2011) 1.500,00 €
– missglückte Dauerwellenbehandlung
Schmerzensgeld nach AG Elze (Urteil v. 22.12.1993) 400,00 €
– Verlust einer Augenlinse, Opfer 15jähriger Junge
Schmerzensgeld nach OLG Köln (Urteil v. 27.10.1995) 2.500,00 €

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Unfall und Schleudertrauma

Im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall immer wieder heiß mit Versicherern diskutiert: die Frage der Zuerkennung von Schmerzensgeldansprüchen beim Vorliegen eines Schleudertrauma/HWS-Trauma. Ausgangspunkt des Problems – das leichte HWS-Trauma, um das es bei „normalen“ Verkehrsunfällen, regelmäßig geht, ist nicht objektivierbar feststellbar: Röntgenaufnahmen, MRT-Aufnahmen etc. können tatsächlich keinen Beleg für entsprechende Verletzungen liefern. Der Befund des behandelnden Arztes „HWS-Trauma“ basiert letztlich allein auf den subjektiv geäußerten Beschwerden des Geschädigten – bei ungeschickten Ärzten steht das auch gerne so mal im Attest „Patient klagt nach Verkehrsunfall über Beschwerden im …“. Allein das Attest des Hausarztes ist damit nicht ausreichend, um den dem Geschädigten obliegenden Nachweis einer durch den Unfall erlittenen Verletzung, zu führen. Es sind zur „Plausibilisierung“ des unfallbedingten Schleudertraumas vielmehr die genaue Unfallkonstellation (Heck-, Front – oder Seitenkollision), die Kollisionsgeschwindigkeit und damit die Kräfte, die auf den Körper gewirkt haben (hier können ggfls. die Fahrzeugschäden und deren Umfang erste Auskunft geben), die Sitzposition, der konkrete Ablauf der Kollision im Inneren sowie mögliche körperliche Eigenheiten des Geschädigten (bestehende Vorschäden) zu berücksichtigen.

Im gerichtlichen Verfahren wird es bei Bestreiten der Verletzung durch den Versicherer („Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule findet sich bei jedem Bundesbürger unfallunabhängig“ – allein das zeitnahe Auftreten von entsprechenden Beschwerden im Zusammenhang mit dem Unfall belegt nicht die Unfallbedingtheit) der Einholung eines interdisziplinären Gutachtens (zusammengesetzt aus einem biomechanischen Gutachten, das die auf den Körper wirkenden Kräfte untersucht, sowie eines nachfolgenden medizinischen Gutachtens) bedürfen, um seine Ansprüche durchzusetzen. Entsprechende Gutachten brauchen jedoch nicht nur geraume Zeit, bis sie überhaupt vorliegen, sie sind auch mit erheblichen Kosten verbunden (die von Gerichten in diesem Bereich angeforderte Vorschüsse liegen regelmäßig bei 3.500,00 € + X) – und der Geschädigte muss die Kosten vorschießen. Steht nicht gerade eine Rechtsschutzversicherung zur Verfügung, ein wirtschaftlich nicht rentables Unterfangen; der Geschädigte zieht unabhängig vom Ausgang des Gutachtens meistens den Kürzeren: verneint das Gutachten das Vorliegen eines unfallbedingten Schleudertraumas trägt der Geschädigte die Kosten des Gutachtens und regelmäßig des Gesamtverfahrens komplett; bejaht es eine entsprechende Verletzung sind die ausgeurteilten Schmerzensgeldansprüche meistens im Vergleich zum geltend gemachten Anspruch gering und werden durch eine quotale Beteiligung an den Verfahrenskosten aufgefressen.

Es empfiehlt sich daher bereits bei der außergerichtlichen Anmeldung der Ansprüche ein geschicktes Vorgehen und ein sauberer Vortrag – nur so wird die Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen und Gespräche mit den Versicherern geschaffen…

PS: So wenig wie der Satz stimmt, dass man immer mit dem Versicherer über ein Schmerzensgeld bei HWS-Verletzungen reden kann, so wenig greift der umgekehrte Hinweis, dass bei geringen Kollisionsgeschwindigkeiten immer ein Schleudertrauma zu verneinen ist! die sog. Harmlosigkeitsschwelle gibt es nicht!

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

 

Verkehrsrecht: Schmerzensgeld

…. nach dem Tod eines nahen Angehörigen – sog. Schockschäden

Die Nachricht vom Tod eines nahen Angehörigen trifft die Hinterbliebenen zumeist schwer. Nicht selten gerät die Welt völlig aus den Fugen. Auch wenn der Täter bei fremdverschuldeten Tötungen letztlich durch sein Tun die regelmäßig eintretende Schock- und Trauerreaktion der Hinterbliebenen auslöst, wird den Angehörigen des Opfers bislang nur unter sehr engen Voraussetzungen ein eigener Schmerzensgeldanspruch gegen den Täter zugebilligt. Die Hinterbliebenen gelten zunächst als allenfalls mittelbar – durch den Tod und die Nachricht von diesem – Geschädigte. Ein eigener Schmerzensgeldanspruch besteht nur dann, wenn bei den Hinterbliebenen aufgrund der Nachricht eine Gesundheitsverletzung eintritt. Dabei reichen allein Trauer, Schmerz und Niedergeschlagenheit nicht zur Annahme einer Gesundheitsverletzung aus. Es müssen vielmehr Beeinträchtigungen gegeben sein, die über das „normale Maß“ der Beeinträchtigung hinausgehen, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind. Erforderlich ist eine medizinisch objektivierbare traumatische Beeinträchtigung der physischen und psychischen Gesundheit, der Krankheitswert zukommt. Hinzukommen muss regelmäßig ein besonderer Zurechnungszusammenhang, wie ein unmittelbares Miterleben des Unfalls bzw. des Unfalltodes.
Zu den Voraussetzungen des „Angehörigenschmerzensgeldanspruches“ hat sich im Januar 2015 nochmals der Bundesgerichtshof geäußert (Urteil v. 27.01.2015, Az. VI ZR 548/12). Der Entscheidung lag ein Verkehrsunfall zugrunde: Der Kläger und seine Ehefrau waren auf ihren Motorrädern unterwegs als ein alkoholisierter Fahrer mit seinem Pkw in den Gegenverkehr geriet. Während der Kläger einer Kollision entging, erfasste der Pkw Fahrer die nachfolgende Ehefrau auf ihrem Motorrad und fügte ihr tödliche Verletzungen zu. Der Kläger klagte nach dem Unfall über Angstzustände, Schweißausbrüchen und Zittern im Straßenverkehr. Seine Tätigkeit als Berufskraftfahrer musste er schließlich aufgeben. Auf Anraten seiner Ärzte gab er zudem die Ehewohnung auf, um den Unfall besser verarbeiten zu können. Außergerichtlich zahlte der Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 €. Mit seiner nachfolgend erhobenen Klage begehrte der Kläger die Zahlung eines höheren Schmerzensgeldes. Sowohl in der ersten, als auch in der zweiten Instanz scheiterte die Klage jedoch. Nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts waren bestehende Schmerzensgeldansprüche mit der außergerichtlichen Zahlung von 4.000,00 € vollständig erfüllt worden. Das Berufungsgericht konnte eine notwendige Gesundheitsverletzung des Klägers nicht feststellen: Über normale Trauerreaktionen sei eine Gesundheitsverletzung des Klägers nicht eingetreten. Dies sah der Bundesgerichtshof anders: Die Beeinträchtigungen des Klägers wären über das normale Maß deutlich hinausgegangen. Zudem sei zu berücksichtigten, dass der Kläger den Tod seiner Ehefrau unmittelbar – optisch und akustisch – miterlebt habe. In solchen Konstellationen könne regelmäßig ein Schmerzensgeldanspruch angenommen werden.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht, Bocholt