Verdachtskündigung

Fristlose Kündigung – manchmal reicht auch schon der „bloße“ Verdacht

Nicht nur der objektiv schwerwiegende Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag kann die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Auch der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund für den Ausspruch der fristlosen Kündigung i. S. des § 626 BGB bilden. Ein entsprechender Verdacht begründet gegenüber dem objektiv gegebenen Pflichtenverstoß einen eigenständigen Kündigungsgrund (sog. Verdachtskündigung).

Da bei Verdachtskündigungen die erhöhte Gefahr letztlich unberechtigter, vorschneller Kündigungen besteht, stellt die Rechtsprechung an deren Wirksamkeit erhöhte Anforderungen: Die Kündigung setzt zunächst voraus, dass objektive Tatsachen vorliegen, die geeignet sind, den dringenden Verdacht auf einen schwerwiegenden Verstoß zu begründen. Nach den Umständen muss eine große Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des bestehenden Verdachts bestehen. Die Verdachtsmomente müssen als solche zudem geeignet sein, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören. Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen, insbesondere muss er dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme geben, der Arbeitnehmer muss Gelegenheit erhalten, den bestehenden Verdacht zu entkräften.

Verdachtskündigungen sind nicht nur in normalen Arbeitsverhältnissen zulässig. Auch in Ausbildungsverhältnissen, die nach dem Willen des Gesetzgebers einen erhöhten Bestandsschutz genießen und nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig sind, kann eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Dies hat das BAG in der letzten Woche ausdrücklich bestätigt (Urteil vom 18.02.2015; Az. 6 AZR 845/13). Im zugrunde liegenden Fall ging es um einen ehemaligen Bank- Auszubildenden, der sich gegen seine fristlose Kündigung wendete. Der Kläger wurde im Sommer 2011 in einer Filiale der ausbildenden Bank zur Unterstützung angefordert: Der Kläger öffnete hier die Nachttresor-Kassetten alleine und zählte das darin befindliche Geld mittels Zählmaschine. Durch die Zentralbank wurde für diesen Tag ein Kassenfehlbestand in Höhe von 500 € festgestellt. Diesen Fehlbestand konnte der Kläger in der folgenden Anhörung durch seinen Ausbilder nicht erklären, vielmehr offenbarte er im Rahmen des Gesprächs, in dem er auf einen Fehlbestand angesprochen wurde, mit der spontanen Nennung des konkreten Fehlbetrages von 500,00 € Täterwissen. Zudem räumte er bei dieser Gelegenheit ein, spielsüchtig zu sein – bereits im Frühjahr des Jahres 2011 hatte der Kläger den Besuch der Berufsschule zugunsten des wohl suchtbedingten Besuchs von Spielhallen „gebläut“.
Die danach von der betroffenen Bank ausgesprochene Verdachtskündigung ist von allen Instanzen für wirksam erachtet worden. Nach der Beweiserhebung bestand für die Beklagte der dringende Verdacht, dass sich der Kläger den fehlenden Geldbetrag in Höhe von 500,00 € zugeeignet hatte. Dieser Verdacht war an sich geeignet, das für die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses unabdingbare Vertrauen zu zerstören und die ausgesprochene außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte habe zureichende Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhaltes getroffenen, insb. habe sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört. Eine Abmahnung war nach den Umständen des Falls entbehrlich. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen konnte der Beklagten aufgrund des dringenden Tatverdachts jede weitere Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden.

Die Hürden für Verdachtskündigungen sind hoch; der Ausspruch von Verdachtskündigungen ist daher auch besonders fehleranfällig … eine Überprüfung kann sind lohnen.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Arbeitsrecht: Diebstahl

… geringwertiger Gegenstände oder der Biss in das falsche Brötchen…

Was strafrechtlich regelmäßig noch mit einem blauen Auge in Form einer Einstellung endet, kann im Arbeitsrecht schnell fatale Folgen haben.

Nach gefestigter Rechtsprechung kann der Diebstahl geringwertiger Gegenstände, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen: Einem Arbeitnehmer muss grundsätzlich bewusst sein, dass der Arbeitgeber Eigentums- und Vermögensdelikte zu seinen Lasten nicht hinnehmen wird. Der Arbeitgeber muss sich darauf verlassen können, dass sich der Arbeitnehmer nicht an den ihm zur Erbringung seiner Arbeitsleistungen zur Verfügung gestellten Materialien und Produktionsmitteln „vergreift“. Daher ist es auch im Ausgangspunkt unerheblich, welchen Wert der entwendete oder unterschlagene Gegenstand hat. Das hat die Rechtsprechung in Fällen um die Unterschlagung eines Pfand-Bon über einen kleineren Cent-Betrag, der Diebstahl eines Bienenstichs aus der Auslage eines Restaurants, einzelner Obstteile oder einem Lippenstift jeweils ausdrücklich betont. Maßgeblich ist in diesen Fällen jeweils, dass mit dem Angriff auf die Werte des Arbeitgebers die notwendige Vertrauensbasis für das Arbeitsverhältnis entfällt oder aber zumindest erheblich gefährdet wird.

Die Feststellung oder der konkrete Verdachte eines Diebstahl geringwertigen Gegenstandes ist allerdings nur die erste Stufe. Eine fristlose Kündigung greift nach dem Diebstahl letztlich nur dann wenn die Abwägung der Umstände des Einzelfalls, wie z.B. der Wert des Gegenstands, der bisherige Verlauf und Dauer des Arbeitsverhältnisses, das „Nachtatverhalten“ des Arbeitnehmers, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, ein weiteres Festhalten des Arbeitgebers unzumutbar erscheinen lassen. Die Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit muss entfallen sein.

Eine entsprechende Abwägung hat in der zurückliegenden Woche das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 01.07.2015, Az. 27 Ca 87/15) bewogen, die fristlose Kündigung einer Krankenschwester für unwirksam zu erklären. Die Krankenschwester, die 23 Jahre im Betrieb der Beklagten ohne Vorkommnisse beschäftigt war, hatte für externe Pflegekräfte bestimmte belegte Brötchenhälften an sich genommen und mit Kolleginnen verzehrt. Die Wegnahme aus einem Raum für externe Kräfte erfolgte dabei für Dritte und Kollegen offensichtlich, wohl auch im Vertrauen auf eine vermeintlich bestehende Praxis auf die bereitgestellten Brötchen zurückgreifen zu können. Nach den Ausführungen des Gerichts war der mit der Wegnahme der Brötchen festzustellende Verstoß gegen arbeitsvertragliche Treuepflichten nicht geeignet, das über Jahre erarbeitete Vertrauen vollständig zu zerstören. Zugunsten der Klägerin brachte das Gericht zudem in Ansatz, dass sich diese nach der Tat einsichtig gezeigt hatte. Zudem unterstellte das Gericht, dass die Schwester mit der Tat nicht nur eigennützige Motive verfolgte, sondern die Einsatzbereitschaft ihrer Schicht in den Morgenstunden aufrechterhalten wollte.

Bei Kündigungen wegen des Diebstahls geringwertiger Gegenstände ist daher besondere Aufmerksamkeit geboten – sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite. Der Vorwurf geringwertiger Gegenstände ist kein „Selbstläufer“

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht Bocholt