Mietrecht: Schönheitsreparaturen

Der BGH bricht unter Hinweis auf zwischenzeitlich verschärfte Maßstäbe für die Kontrolle von vorformulierten Vertragsbedingungen mit einer jahrzehntelanger Rechtsprechung und bringt damit Vermieter in Probleme:

Nach dem gesetzlichen Leitbild trifft den Vermieter als Teil seiner Instandsetzungspflicht auch die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen. Also nicht der Mieter, sondern der Vermieter ist vom Grundsatz her verpflichtet, die Gebrauchsspuren des Mieters während des Mietverhältnisses zu beseitigen. Zwingend ist die gesetzliche Regelung allerdings nicht. Sie kann durch Vereinbarung abgeändert werden. Daher enthalten die meisten (vorformulierten) Mietvertragsmustern Renovierungsklauseln, nach denen der Mieter die Schönheitsreparaturen bei entsprechender Abnutzung auf seine Kosten durchzuführen hat. Diese Renovierungsklauseln müssen allerdings bestimmten Mindestanforderungen genügen. Tun sie dies nicht, ist die Regelung unwirksam und die Schönheitsreparaturen sind weiter Aufgabe des Vermieters.

Der Katalog der Unwirksamkeitsgründe für Schönheitsreparaturen-Klauseln ist durch den BGH (Urteile v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, VIII ZR 242/13 und VIII ZR 21/13) in den zurückliegenden Tagen nochmals wesentlich erweitert worden: Eine formularmäßige Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter ist nun bereits dann unwirksam, wenn der Mieter bei Nutzungsbeginn eine unrenovierte Wohnung übernommen hat und für diese Übernahme kein angemessener Ausgleich (z.B. durch einen ausreichenden Mietnachlass) durch den Vermieter gewährt wird. Nach Einschätzung der Richter benachteiligen die klassischen Schönheitsreparaturen-Klauseln den Mieter einer unrenovierten Wohnung unangemessen. Denn die Klausel verpflichtet den Mieter theoretisch zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt möglicherweise dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder in einem besseren Zustand zurückgeben müsste, als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.

Bei Übergabe einer unrenovierten Wohnung bestehen danach gute Chancen, sich der Schönheitsrenovierungsaufforderung oder aber einer entsprechenden Aufforderung zu Ausgleichszahlungen bei Ende des Mietverhältnisses zu entziehen. Wann dabei von einer unrenovierten Wohnung auszugehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Für die Abgrenzung renoviert/unrenoviert soll darauf abzustellen sein, wie erheblich vorhandene Gebrauchsspuren sind. Von einer renovierten Wohnung soll – wunderbar nichtssagend vom Gericht formuliert – bereits dann auszugehen sein, wenn die Mieträume im Zeitpunkt der Überlassung den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln. Der Vermieter braucht also bei der Neuvermietung nicht zwingend eine Komplettrenovierung durchzuführen, um seine „Schönheitsreparaturen-Klausel“ retten zu können.

Mit Blick auf die neue Rechtsprechung heißt es nun noch mehr, den maßgebenden Mietvertrag kritisch durchzusehen und den Zustand der Wohnung bei Übergabe und Rückgabe beweissicher zu dokumentieren! Aktuelle Aufforderungen zur Durchführung von Schönheitsreparaturen sollten sorgfältig geprüft werden.

Bei allen Detailfragen stehen wir Ihnen Rede und Antwort.

Rechtsanwältin Dr. Elke Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Autokauf-Gewährleistung

Ärger mit dem Gebrauchtwagenkauf: Nicht jeder Wagen der eine TÜV Plakette trägt, verdient auch eine …

Fehlt die Verkehrssicherheit trotz frisch erteilter TÜV Plakette, so rechtfertigt dies zumindest bei einem Wagenkauf mit der Angabe „TÜV neu“ den sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag.

So zumindest des Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 15.04.2015 – VIII ZR 80/14. Zum zugrundeliegenden Fall – die Klägerin hatte Anfang August 2012 von dem Beklagten, einen Autohändler, einen 13 Jahre alten Pkw erworben. Der Wagen hatte am Tage des Kaufes – wie vom Händler zugesagt und im Kaufvertrag angegeben „HU neu“ – die Hauptuntersuchung „erfolgreich“ durchlaufen und eine TÜV Plakette erhalten.

Bereits am Tag nach der Übernahme des Fahrzeugs fiel der Motor mehrfach aus. Die Klägerin stellte den Pkw in einer Werkstatt vor, dort wurde u.a. eine die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Korrosion der Bremsleitungen festgestellt. Unter Hinweis auf die festgestellten Mängel erklärte die Klägerin zum Ende des Monats August die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag. Sie verlangte den Kaufpreis zurück, was der Händler unter Hinweis, auf die ihm vorab nicht gegebene Möglichkeit zur Beseitigung der Mängel zunächst verweigerte. Zu Unrecht wie die Instanz-Gerichte feststellten und der Bundesgerichtshof nun bestätigte. Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich eine arglistige Täuschung des Händlers vorlag, war der Wagen jedenfalls mangelhaft. Entgegen der vereinbarten Beschaffenheit „HU neu“ befand sich der Pkw aufgrund der Korrosionserscheinung gerade nicht in einem Zustand, der die Erteilung einer TÜV-Plakette am Tag des Kaufvertrags rechtfertigte. Dem Autohändler musste die Klägerin vor der Rücktrittserklärung keine Möglichkeit zur Beseitigung der Mängel geben. Angesichts der Sachverhaltsumstände durfte die Klägerin erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit und Fachkompetenz des Gebrauchtwagenhändlers entwickeln.

Augen auf beim Autokauf!

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht Bocholt

Arbeitsrecht: Diebstahl

… geringwertiger Gegenstände oder der Biss in das falsche Brötchen…

Was strafrechtlich regelmäßig noch mit einem blauen Auge in Form einer Einstellung endet, kann im Arbeitsrecht schnell fatale Folgen haben.

Nach gefestigter Rechtsprechung kann der Diebstahl geringwertiger Gegenstände, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen: Einem Arbeitnehmer muss grundsätzlich bewusst sein, dass der Arbeitgeber Eigentums- und Vermögensdelikte zu seinen Lasten nicht hinnehmen wird. Der Arbeitgeber muss sich darauf verlassen können, dass sich der Arbeitnehmer nicht an den ihm zur Erbringung seiner Arbeitsleistungen zur Verfügung gestellten Materialien und Produktionsmitteln „vergreift“. Daher ist es auch im Ausgangspunkt unerheblich, welchen Wert der entwendete oder unterschlagene Gegenstand hat. Das hat die Rechtsprechung in Fällen um die Unterschlagung eines Pfand-Bon über einen kleineren Cent-Betrag, der Diebstahl eines Bienenstichs aus der Auslage eines Restaurants, einzelner Obstteile oder einem Lippenstift jeweils ausdrücklich betont. Maßgeblich ist in diesen Fällen jeweils, dass mit dem Angriff auf die Werte des Arbeitgebers die notwendige Vertrauensbasis für das Arbeitsverhältnis entfällt oder aber zumindest erheblich gefährdet wird.

Die Feststellung oder der konkrete Verdachte eines Diebstahl geringwertigen Gegenstandes ist allerdings nur die erste Stufe. Eine fristlose Kündigung greift nach dem Diebstahl letztlich nur dann wenn die Abwägung der Umstände des Einzelfalls, wie z.B. der Wert des Gegenstands, der bisherige Verlauf und Dauer des Arbeitsverhältnisses, das „Nachtatverhalten“ des Arbeitnehmers, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, ein weiteres Festhalten des Arbeitgebers unzumutbar erscheinen lassen. Die Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit muss entfallen sein.

Eine entsprechende Abwägung hat in der zurückliegenden Woche das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 01.07.2015, Az. 27 Ca 87/15) bewogen, die fristlose Kündigung einer Krankenschwester für unwirksam zu erklären. Die Krankenschwester, die 23 Jahre im Betrieb der Beklagten ohne Vorkommnisse beschäftigt war, hatte für externe Pflegekräfte bestimmte belegte Brötchenhälften an sich genommen und mit Kolleginnen verzehrt. Die Wegnahme aus einem Raum für externe Kräfte erfolgte dabei für Dritte und Kollegen offensichtlich, wohl auch im Vertrauen auf eine vermeintlich bestehende Praxis auf die bereitgestellten Brötchen zurückgreifen zu können. Nach den Ausführungen des Gerichts war der mit der Wegnahme der Brötchen festzustellende Verstoß gegen arbeitsvertragliche Treuepflichten nicht geeignet, das über Jahre erarbeitete Vertrauen vollständig zu zerstören. Zugunsten der Klägerin brachte das Gericht zudem in Ansatz, dass sich diese nach der Tat einsichtig gezeigt hatte. Zudem unterstellte das Gericht, dass die Schwester mit der Tat nicht nur eigennützige Motive verfolgte, sondern die Einsatzbereitschaft ihrer Schicht in den Morgenstunden aufrechterhalten wollte.

Bei Kündigungen wegen des Diebstahls geringwertiger Gegenstände ist daher besondere Aufmerksamkeit geboten – sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite. Der Vorwurf geringwertiger Gegenstände ist kein „Selbstläufer“

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht Bocholt

Überstunden – Hä Chef, wo bleibt das Geld?

Überstunden und deren Vergütung … kein leichtes Pflaster, daher heute einige allgemeine Bemerkungen zum Problemkreis

Überstunden leistet der Arbeitnehmer, wenn er über die arbeitsvertraglich (oder tariflich) vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitet. Eine Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden besteht dabei grundsätzlich nur dann, wenn der Arbeitsvertrag oder der Tarifvertrag eine entsprechende Bereitschaft des Arbeitsnehmers oder eine entsprechend konkretisierte Weisungsbefugnis des Arbeitgebers festhält („der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, im Bedarfsfall Überstunden zu leisten“ o.Ä.). Fehlt eine solche Klausel, schuldet der Arbeitnehmer keine Überarbeit.

Dass ein Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang erbringt, begründet allerdings noch nicht automatisch einen zusätzlichen Entgeltanspruch. Ein Arbeitgeber muss sich „Überstunden“ nicht aufdrängen lassen. Zur Vergütung von Überstunden ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst oder diese gebilligt oder geduldet hat. Relevant sind Überstunden also nur, wenn sie mit „Wissen und Wollen“ des Arbeitgebers geleistet wurden.

Tarifverträge sehen für die Vergütung von Überstunden, insb. wenn diese in den Abend-/Nachtstunden oder an Wochenenden abgeleistet werden, die Zahlung eines Zuschlags zum Grundlohn für die Arbeitsstunde vor. Zwingend ist die Zahlung von Zuschlägen für die einzelne Überstunde allerdings nicht. Fehlen besondere Entgeltregelungen, so ist auch die Überstunde „nur“ mit dem Grundlohn zu vergüten.

Teilweise beinhalten Arbeitsverträge Klauseln, wonach anfallende Überstunden mit dem (für die regelmäßige Arbeitszeit) vereinbarten Arbeitsentgelt insgesamt als abgegolten gelten. Wird die Anzahl der danach vom Grundgehalt mitumfassten Überstunden nicht beziffert, sondern alle Überstunden pauschal abgegolten, ist die betreffende Vertragsklausel im Regelfall unwirksam. Die anfallenden Überstunden sind – ungeachtet der Abgeltungsklausel – vom Arbeitgeber zu vergüten.

Unter der Geltung des Mindestlohngesetzes sind Überstunden – jedenfalls mit dem gesetzlichen Mindestlohn – innerhalb einer kurzen Frist zu vergüten. Nur unter engen Voraussetzungen können Überstunden durch ein schriftlich zu vereinbarendes Zeitkonto weiter geschrieben werden.

Besteht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Streit über den Anfall und die Vergütung von Überstunden, obliegt es zunächst dem Arbeitnehmer den Anfall von Mehrarbeit sowie die Anordnung oder Duldung durch den Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen. Dabei reicht der pauschale Hinweis auf regelmäßige Mehrarbeit nicht aus. Gibt es feste Arbeitszeiten, ist anzugeben, wann (Tag und Stunde) und in welchem Umfang er mit welchen Arbeiten außerhalb dieser Arbeitszeit tätig geworden ist. Sind keine festen täglichen Arbeitszeiten festgelegt, ist genau nach Tag und Stunde einschließlich gemachter Pausen aufzuschlüsseln, welche Arbeiten im Einzelnen ausgeführt wurden. Fehlt eine ausdrückliche Überstundenanordnung des Arbeitgebers ist anzugeben, dass und warum die geleisteten Überstunden zur Erfüllung welcher Aufgaben erforderlich waren bzw. der Arbeitgeber die Mehrarbeit zur Kenntnis genommen hat. Es reicht also nicht aus, lediglich mitzuteilen, dass man erst eine Stunde nach Büroschluss Feierabend gemacht hat. Auch die Aufzeichnungen aus einem vorhandenen Zeiterfassungssystem reichen als solches nicht aus, um Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung zu begründen. Es empfiehlt sich daher, gerade für Arbeitnehmer ohne einen festen Tagesablauf (insb. Kraftfahrer) konkret festzuhalten, wie sich der Arbeitstag mit welchen Aufgaben und Pausen gestaltet! Nur dann kann den hohen Anforderungen der Rechtsprechung im Bereich der Überstunden Rechnung getragen werden.

Auch bei Überstundenvergütungen sind schließlich im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussklauseln zu berücksichtigen: auch Ansprüche auf Überstundenvergütung müssen kurzfristig geltend gemacht werden (hierfür sprechen wegen der beschriebenen besonderen Darlegungslast auch praktische Geschichtspunkte: nach langer Zeit wird man den Anfall von Überstunden kaum noch nachzeichnen können).

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht Bocholt

Arbeitsrecht: personenbedingte Kündigung

Kündigung trotz/wegen Erkrankung des Arbeitnehmers – die sog. personenbedingte Kündigung

Unterfällt ein Arbeitsverhältnis dem Schutz des Kündigungsschutzgesetzes, so bedarf dessen Kündigung nicht nur der Einhaltung der Kündigungsfrist, sondern auch des Vorliegen eines besonderen Kündigungsgrundes. Einen möglichen Rechtfertigungsgrund bildet der Verlust der Fähigkeit des Arbeitnehmers, die arbeitsvertraglich von ihm geschuldete Leistung auch künftig ganz oder zum Teil zu erbringen. Wie es zu einem Verlust der notwendigen Eignung und Fähigkeiten gekommen ist, ist hierbei im Grundsatz unerheblich. Der Arbeitnehmer braucht den Verlust nicht selbst verschuldet zu haben, ausreichend ist so z.B. auch eine Erkrankung, die es dem Arbeitnehmer unmöglich macht, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Kündigung wegen dauerhafter Erkrankung oder häufiger Kurzerkrankungen bildet sogar den Hauptanwendungsfall der sog. personenbedingten Kündigung. Krankheitsbedingte Kündigungen setzen im Einzelnen folgendes voraus:

(1) sog. negative Prognose – im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung müssen Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass der Arbeitnehmer auch künftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr dauerhaft erfüllen kann (stellt sich diese Prognose später als falsch heraus, ist dies für sich genommen unerheblich);

(2) die bisherige und zu erwartende gesundheitliche Entwicklung muss zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen – die Erkrankung des Arbeitnehmers führt wegen der Entgeltzahlungsfortzahlungspflicht zu erheblichen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers oder bedingt organisatorische Störungen, die nicht durch eine Umverteilung oder Neueunstellung etc. kompensiert werden können;

(3) die durch die Erkrankung bedingten Beeinträchtigungen müssen auch unter Berücksichtigung des bisherigen Bestands und Verlaufs des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht mehr hinnehmbar erscheinen. Der Arbeitnehmer kann auch nicht zumutbar – unter Berücksichtigung seines „Krankheitsbildes“ – an anderer Stelle im Betrieb eingesetzt werden.

Die Hürden zur wirksamen Begründung einer personenbedingten Kündigung sind durchaus beachtlich, so dass man als Arbeitnehmer nicht bei jedem Schnupfen, um seinen Arbeitsplatz fürchten muss; Arbeitgeber können dagegen nicht ohne ausreichende Vorbereitungen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklären.

Bei der personenbedingten Kündigung spielt offensichtlich in zunehmenden Maße das sog. betriebliche Wiedereingliederungsmanagement eine wichtige Rolle. Ist ein Arbeitnehmer mehr als 6 Wochen im Jahr erkrankt, muss der Arbeitgeber zwingend klären, durch welche Maßnahmen (Hilfsmittel, Umorganisation etc.) der Krankenstand des Arbeitnehmers überwunden werden kann. Unterlässt der Arbeitgeber diese Hilfestellungen, kann eine gleichwohl ausgesprochene Kündigung bei Erkrankung unwirksam sein.

So hat das LAG Berlin (Az. 28 Ca 9065/15) am 16.10.2015 die Kündigung eines seit einem Jahr an Krebs erkrankten Mitarbeiters für unwirksam erklärt. Das Gericht hielt nochmals fest, dass der Arbeitgeber im Fall einer länger als 6 Wochen andauernden Erkrankung ein betriebliches Eingliederungsmanagements (BEM) mit dem Ziel der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers durchzuführen hat. Der Arbeitgeber müsse hierbei prüfen, ob und ggf. in welcher Weise der Arbeitnehmer (wieder) beschäftigt werden kann. Im Rahmen der Prüfung habe der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer das Gespräch zu führen. Zu untersuchen seien mit Blick auf gegebene Einschränkungen des Arbeitnehmers eine Änderung oder Umgestaltung des Arbeitsplatzes, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, um weitere Ausfälle des Arbeitnehmers zu vermeiden.

Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber überhaupt kein BEM durchgeführt. Er habe sich nach Auffassung des Gerichts damit nicht hinreichend mit der Frage der leidensgerechten Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes und einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers an anderer Stelle im Betrieb auseinandergesetzt. Die erklärte Kündigung (als letztes Mittel) sei deshalb unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam.

Behalten Sie daher (Ihre) Krankentage im Blick.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht, Bocholt

Mietrecht: fristlose Kündigung

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben

Die Möglichkeit, ein Rechtsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, also fristlos, zu beenden, ist für jede Vertragspartei unabdingbar. Niemand soll an einem Rechtsverhältnis festgehalten werden, dessen Fortsetzung bis zum regulären Ende ihm objektiv unzumutbar ist.
Die außerordentliche Kündigung ist als Notbremse zu verstehen, die erst zulässig ist, wenn andere Mittel zur Beseitigung von Mißständen keinen Erfolg mehr versprechen. Liegen die Voraussetzungen für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung vor, muss schnell reagiert werden: es wäre widersprüchlich, wenn der Vertragspartner die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Rechtsverhältnisses behauptet, aber nicht zeitnah auf die Unzumutbarkeit reagiert, sondern sich die „unhalltbaren Zustände“ über längere Zeit ansieht. Je länger die mögliche Reaktion ausbleibt, desto weniger plausibel erscheint die Unzumutbarkeit der Situation. § 314 Abs. 3 BGB bestimmt daher grundsätzlich, dass der (Kündigungs-)Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

In einzelnen Bereichen gibt das Gesetz über diese allgemeine Bestimmung eine konkrete Frist für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung vor. So hat im Arbeitsrecht die fristlose Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Kenntnis der Gründe, die die Kündigung tragen, zu erfolgen. Nach Ablauf der Frist ist die Kündigung jedenfalls als fristlose Kündigung nicht mehr zu begründen.

Im Mietrecht fehlt eine ausdrückliche Frist für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Wie lange ich mit dem Ausspruch einer Kündigung warten kann, obwohl die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gegeben sind, konkretisiert möglicherweise der Bundesgerichtshof in den nächsten Wochen, Dem Bundesgerichtshof liegt derzeit ein Fall zur Entscheidung vor, bei dem der Mieter die Mieten für die Monate Februar und April 2013 nicht zahlte. Bei einem Mietrückstand in Höhe von 2 Monatsmieten ist die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ohne Weiteres möglich. Der Vermieter wartete jedoch zunächst einige Monate, bevor er dann letztlich im August 2013 die fristlose Kündigung erklärte. Das mit dem Verfahren zunächst betraute Amtsgericht sah keine Probleme, der Räumungsklage des Vermieters statt zu geben. Anders die Berufungsinstanz: das Landgericht hob das Klage stattgebende Urteil auf und wies die Klage des Vermieters ab. Der Vermieter habe sein Kündigungsrecht verwirkt. Die Kündigung sei zu spät erklärt!
Verhandlungstermin vor dem Bundesgerichtshof ist auf den 13.07.2016 bestimmt! Ich werde berichten.

Aber bereits heute die Mahnung an Vermieter, schnell auf Mietrückstände zu reagieren. Umgekehrt heißt es für Mieter beim Ausspruch einer fristlosen Kündigung, die Hoffnung nicht zu schnell sinken zu lassen.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeits- und Verkehrsrecht, Bocholt

Neues vom Mindestlohn

In der zurückliegenden Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 13.05.2015 – 10 AZR 191/14) festgestellt, dass der Mindestlohn auch bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen gilt. Die Entscheidung ist zwar in Bezug auf eine tarifliche Mindestlohnregelung ergangen, die zugrundeliegenden Überlegungen greifen jedoch auch für das Mindestlohngesetz: Auch im Krankheitsfall des Arbeitnehmers und an Tagen, an denen der Arbeitnehmer aufgrund eines gesetzlichen Feiertages nicht arbeiten muss, sind die Ausfallstunden mit dem Mindestlohn zu vergüten.

In dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Fall ging es um eine pädagogische Mitarbeiterin, deren Arbeitsverhältnis einer tariflichen Mindestlohnregelung (12,60 €/Stunde) unterfiel. Im Arbeitsvertrag war daneben ein niedriger Arbeitslohn vereinbart. Während Urlaubstage von der beklagten Arbeitgeberin mit dem Mindestlohn vergütet wurden, erhielt die Klägerin für Krankheitstage und Feiertage lediglich den vereinbarten niedrigeren Lohn pro Ausfallstunde. Nach den Ausführungen des Gerichts zu Unrecht: Nach den Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für Arbeitszeit, die auf Grund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfallen, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (sog. Entgeltausfallprinzip). Diese gesetzliche Regelung gilt auch dann, wenn im maßgebenden Tarifvertrag eine Anwendung nicht ausdrücklich festgehalten wird. Es ist daher auch für diese Tage der Mindestlohn geschuldet. Ein Rückgriff auf eine vereinbarte niedrige Vergütung ist unzulässig. Die Beklagte hat daher der Klägerin Lohn nachzuzahlen.

Arbeitsrecht: Der Mindestlohn ist da

Stichtag 01.01.2015 … nun kommt es also doch, nach langen öffentlichen Diskussionen, und scheint doch nicht ganz im Bewusstsein angekommen zu sein – das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohnes, kurz: Mindestlohngesetz. Ab dem 01.01.2015 gilt damit grundsätzlich ein flächendeckender Mindestlohn von 8,50 €/Stunde. Lediglich für einige Branchen, z.B. das fleischverarbeitende Gewerbe, für Friseure und für Zeitarbeitsfirmen, gilt eine „Schonfrist“ von 2 Jahren. In diesen Bereichen greift die Mindestlohnregelung erst zum 01.01.2017.

Nicht erfasst von der Pflicht zur Gewährung des Mindestlohnes sind bestimmte berufs-, schul- und studienbegleitende Praktika, daneben Vereinbarungen mit Jugendlichen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, mit Langzeitarbeitslosen (ab einem Jahr Arbeitslosigkeit) in den ersten 6 Monaten, mit Auszubildenden und mit Personen in der Berufsausbildungsvorbereitung. Daneben ist ausnahmslos für jedes Arbeitsverhältnis der Mindestlohn zu zahlen. Anderweitige Regelungen, auch einvernehmlich, können nicht wirksam von den Beteiligten getroffen werden. Die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes sind insoweit nicht disponibel, sie unterliegen nicht der Vertragsfreiheit!! Werden dennoch anderweitige Regelungen getroffen, hat dies für den betroffenen Arbeitnehmer keine Auswirkungen. Er kann in jedem Fall, ungeachtet anderer Zugeständnisse, die gegebene Differenz zwischen vereinbarten Lohn und Mindestlohnanspruch geltend machen.

Das Mindestlohngesetz gilt für ALLE – bestehenden und ab dem 01.01.2015 geschlossenen – Arbeitsverhältnisse! also gerade auch für Teilzeitbeschäftigte, befristete Arbeitsverhältnisse und sog. Mini-Jobber. Die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Maßgebend ist alleine, ob eine Person nach Weisung einer bestimmten Person gegen Entgelt Leistungen erbringt. Ansonsten unterfallen alle als Arbeitsvertrag ausdrücklich überschriebenen Verträge den Bestimmungen des Mindestlohngesetzes, auch solche die z.B. zwischen Ehegatten geschlossen sind.

 

Bei sozialversicherungsfreien Arbeitsverhältnissen (Mini-Jobber) ist der Arbeitgeber neben der Lohnzahlung verpflichtet, den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers sorgfältig zu dokumentieren. Spätestens 7 Tage nach dem Arbeitseinsatz ist festzuhalten, wann konkret der Mini-Jobber eingesetzt wurde, wann er welche Aufgaben aufgenommen und abgearbeitet hat. Nur so lässt sich sicher prüfen, ob die Vorgaben des Gesetzes eingehalten wurden. Die Angaben sind auch hier nicht verzichtbar oder mit dem Hinweis auf eine Pauschalvereinbarung mit dem Arbeitnehmer entbehrlich. Bei Verstöße gegen die Vorgaben des Mindestlohngesetzes drohen Bußgelder.

Mit dem Mindestlohn ist schließlich jede (!) Arbeitsstunde zu vergüten. Als Arbeitszeiten gelten hierbei gerade auch – für Krankenhäuser und Pflegedienste wichtig – Bereitschaftsdienste o.Ä.

Wird der Mindestlohn trotz der Bußgeldbewährung unterschritten, haftet nicht immer nur der Arbeitgeber für den ausstehenden Lohn. Ist der betroffene Arbeitnehmer als Angestellter eines Subunternehmers für ein anderes Unternehmen tätig und zahlt der eigene Arbeitgeber nicht, so kann der Betroffene nicht nur den eigenen Arbeitgeber auf Lohnzahlungen verklagen, sondern auch dessen Auftraggeber. Unternehmer sollten daher ihre Subunternehmer „weise“ wählen, bevor sie sonst den eingesetzten „Fremd“-Arbeitnehmer unmittelbar bezahlen müssen.

Offensichtlich reagieren Arbeitgeber nun auf den letzten Drücker auf das Mindestlohngesetz – und die nicht in Form von Anpassungen. Manch ein Arbeitgeber versucht sich, nun noch schnell von den teuer werdenden Arbeitnehmern zu trennen, es werden – durchaus unverhohlen – unter Hinweis auf das Gesetz Kündigungen ausgesprochen.  Entsprechende Versuche greifen zumindest in Betrieben, in denen mehr als 10 Arbeitnehmern beschäftigt sind, zu kurz. Die Einführung des Mindestlohngesetzes stellt keinen Kündigungsgrund dar; die Kündigung kann auch nicht ohne Weiteres als betriebsbedingte Kündigung etikettiert werden! Auch Mini-Jobber in entsprechend großen Betrieben – und es auch „nur“ als Putzfrau in einem personalstarkem Betrieb – genießen Kündigungsschutz!

Bei Fragen rund um das Mindestlohngesetz, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.