Online-Scheidung

Im digitalen Zeitalter verlagern sich immer mehr Lebensvorgänge ins Internet. Der online-Trend macht auch vor Rechtsdienstleistungen keinen Halt. Neben einer Fülle von allgemeinen Rechtstipps – wie man sie auch auf unserer homepage und hier findet – geistert bereits seit einigen Jahren die sog. Online Scheidung durch das Netz – gerne beworben als schnelle und kostengünstige bzw. bei beschränkten Vermögensverhältnissen sogar vermeintlich kostenfreie Alternative zur klassischen Scheidung: Formular ausfüllen, Vollmacht unterschreiben und in 3 Monaten geschieden sein. Fertig! Für Ehepartner, die die Scheidung einvernehmlich wollen, keine gemeinsamen Kinder haben bzw.  keine Regelungen zum Unterhalt und Sorgerecht oder zur vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Ehe benötigen, eine ideale Sache.

Wenn man die Werbebotschaften einmal weglässt und sich bewusstmacht, dass auch die online Scheidung nicht ohne den zwingenden Termin vor dem Familiengericht auskommt, wird man feststellen, dass sich die klassische Scheidung mit dem persönlichen Besuch bei einem Anwalt bei gleichgelagerter Ausgangslage (einvernehmliche Scheidung ohne Unterhalts- und Vermögensfragen) nicht anders darstellt. Stellen sich keine vermögensrechtlichen Fragen außerhalb des Versorgungsausgleichs wird auch hier nach Ablauf des sog. Trennungsjahres und Einholung der Auskünfte bei den Rentenversicherungsträgern die Scheidung nach ca. 3 Monaten in einem im Regelfall allenfalls 10minütigem Termin vor dem Scheidungsrichter knackig ausgesprochen. Dies zum gleichen Tarif wie die online-Scheidung: Denn die Gebühren des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren sind gesetzlich vorgegeben. Gebühren können hier weder überschritten, noch unterschritten werden. Für den für die Bemessung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Gebührenstreitwert gelten die gleichen Grundsätze. Auch beim klassischen Modell wird bei kostenarmen Mandanten ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt. Wird diese bewilligt, muss der Scheidungswillige zunächst weder Gerichtskosten, noch Rechtsanwaltsgebühren tragen, diese Kosten trägt zunächst die Staatskasse. Sollten sich die Vermögensverhältnisse in 4 Jahren verbessern, behält sich die Staatskasse allerdings vor, die „vorgestreckten Verfahrenskosten“ zurückzufordern. Der kostenfreie Mehrwert des Besuchs beim Anwalt im Vergleich zur online-Scheidung ist und bleibt im Vergleich zum reinen Internetkontakt die Beratung, die weitergehende Erläuterung des Scheidungsverfahrens und das Schaffen eines Problembewusstseins. Vielleicht sind tatsächlich noch nicht sämtliche sich im Zusammenhang mit der Scheidung stellenden Fragen bewusst (z.B. was passiert mit dem Krankenversicherungsschutz nach der Scheidung? Wie kann ich das gemeinsam abgeschlossene Mietverhältnis über die Ehewohnung aufgelöst werden? Was passiert mit gemeinsam aufgenommenen Krediten).

Auch wir wollen uns jedoch nicht dem Trend zur schnellen Kommunikation ohne vorhergehenden, vielleicht beruflich schwierig einzurichtenden, Besuch in der Kanzlei verschließen und Ehepartnern, die einvernehmlich, vielleicht gemeinsam am Esstisch zu Hause die Scheidung auf den Weg bringen wollen, die Möglichkeit hierzu nehmen. Daher bieten wir ab sofort ein online-Scheidungsformular auf unserer Internetseite, das außerhalb unserer Büro-Öffnungszeiten ausgedruckt, ausgefüllt und per Fax oder per E-Mail an uns übermittelt werden kann. Wir werden die Daten prüfen und uns mit einer Information zum weiteren Vorgehen bei Ihnen melden.

Für die ganz eiligen geht es hier zum link:

http://scheidung-bocholt.eu/online-scheidung-formular

Und für die klassische Variante stehen wir zu den Bürozeiten sowie nach Vereinbarung auch außerhalb ebenfalls jederzeit zur Verfügung. Wenden Sie sich an Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Rolf Schwarz

 

 

VORSICHT FALLE: Befristung im Arbeitsrecht!

Die Befristung von Arbeitsverhältnissen stellt immer noch ein heikles Thema dar. Dabei geht es gar nicht um die Dämonisierung von Befristungen, also um die Frage, ob die Zunahme von befristeten Arbeitsverhältnissen unter sozialen Gesichtspunkten eingedämmt werden sollte. Die Befristung von Arbeitsverhältnissen gehört heute zum Standard, in jedem Fall zur arbeitsrechtlichen Wirklichkeit: Viele Arbeitsverhältnisse starten mit der Befristung als (vermeintlich) verlängerte Probezeit. Heikel erscheint vor diesem tatsächlichen Hintergrund lediglich die Tatsache, dass die Grundbedingungen für eine wirksame Befristung sowie die möglichen Folgen einer unwirksamen Befristung von den Vertragsbeteiligten verkannt werden. Werden so z.B. die formalen Anforderungen an die Befristungsabrede nicht eingehalten, wird gerade kein befristetes Arbeitsverhältnis, sondern ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet, das gerade nicht am Ende der ausgewiesenen Vertragslaufzeit endet, sondern der Kündigung – die ggfls. das Vorliegen von Kündigungsgründe erfordert – bedarf. Wird dies nicht erkannt, ist der Arbeitgeber mit einem womöglich ungeplanten Arbeitsverhältnis konfrontiert, der Arbeitnehmer der Chance beraubt, das sichere unbefristete Arbeitsverhältnis zu erlangen.

In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2016 (Az. 7 AZR 142/15) anzuführen. Der Kläger im Verfahren war als wissenschaftlicher Beschäftigter einer Universität zunächst bis zum 31.03.2013 befristet beschäftigt worden. Als „Anschlussbeschäftigung“ war dem Kläger Mitte April 2013 abermals der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages, nun für den Zeitraum 01.05.2013 bis zum 30.09.2013, angeboten worden. Dem Kläger wurde von Seiten der Universitätsverwaltung Ende April 2013 ein entsprechend formulierter Arbeitsvertrag in zweifacher Ausfertigung zur Unterschrift vorgelegt. Das Vertragsformular war zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger von der Beklagten noch nicht unterzeichnet worden. Der Kläger unterschrieb beider Vertragsausfertigungen und reichte diese noch am gleichen Tag an die Beklagte zurück. Weitere Rückmeldungen bekam der Kläger nicht, so dass er, wie geplant, am 02.05.2013 seinen Dienst bei der Beklagten aufnahm. Erst Mitte Mai erreichte den Kläger schließlich ein auch von der Beklagten unterzeichnetes Vertragsexemplar. Vor Ablauf der Vertragslaufzeit klagte der Kläger auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung gerade nicht zum 30.09.2013 sein Ende finden würde (sog. Entfristungsklage). Zu Recht, wie das Bundesarbeitsgericht entschied. Nach Auffassung der Richter war die für die wirksame Befristung notwendige Schriftform des Arbeitsvertrages nicht gewahrt. Vor Arbeitsaufnahme lag gerade kein schriftlicher Arbeitsvertrag vor. Schriftform i.S. des Gesetzes meint dabei nicht lediglich die „auf einem Papier festgehaltenen Vertragsbedingungen“. Nach § 126 BGB erfordert die Einhaltung der Schriftform vielmehr mehr, nämlich die Unterschrift beider Parteien auf derselben Vertrags-Urkunde. Werden über einen Vertrag, wie hier, mehrere gleichlautende Vertrags-Urkunden erstellt, reicht zur Wahrung der Schriftform, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Die notwendig beiderseits unterzeichnete Vertragsurkunde erreichte den Kläger erst nach Arbeitsaufnahme und damit zu spät. Mit der geduldeten Arbeitsaufnahme durch den Kläger zum vereinbarten Beginn kam – ungeachtet der Vertragsgespräche zwischen den Parteien, die ja auf den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages gerichtet war – Anfang Mai bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande. Dieses unbefristete Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die nachträgliche Übersendung des unterschriebenen Vertrages in ein befristetes Arbeitsverhältnis „umgewandelt“ worden. Trotz der mit anderem Inhalt geführten Gesprächen konnte sich der Kläger im Klageverfahren ohne Weiteres auf den Formmangel und die damit unwirksame Befristung berufen. Er steht nun in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis.

Bei Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses kommt es damit auf die Details an. Fehler können leicht erhebliche Auswirkungen haben. Arbeitnehmer, die die Formunwirksamkeit rügen wollen, müssen allerdings schnell reagieren. Die sog. Entfristungsklage muss innerhalb einer Frist von 3 Wochen nach dem eigentlich vorgesehenen Vertragsende eingereicht werden.

Bei Fragen rund um das Thema Befristung stehen wir gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.

Schmerzensgeld

– die Details machen es!

In der zurückliegenden Woche sprach das Landgericht Köln dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl für die Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes durch die „unabgesprochenen“ Veröffentlichungen seines ehemaligen Ghostwriters ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000.000,00 € zu. Auch wenn nach Angaben der Presse wohl ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000.000,00 € eingeklagt war (die Klage also in weiten Teilen ohne Erfolg blieb), ist die ausgeurteilte Summe beachtlich: In Deutschland werden selbst bei schwersten körperlichen Verletzungen vergleichbare Beträge nur äußerst selten zugesprochen. Welche Gesichtspunkte bei der Bemessung des Kohl-Schmerzensgeldes maßgeblichen Einfluss genommen haben, muss man abwarten. Wir hoffen auf eine vollständige Veröffentlichung des Urteils.

Die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten ist auch rechtsdogmatisch ein Sonderfall. Das Gesetz kennt Schmerzensgeldansprüche ausdrücklich nur bei einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, bei Freiheitsentziehung und der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (z.B. im Fall sexueller Nötigung oder in Vergewaltigungs-Fällen), vgl. § 253 BGB. Mit der Zuerkennung von Schmerzensgeldansprüchen soll der Verletzte einen Ausgleich für die erlittenen Verletzungen und Schmerzen erhalten; mit dem Schmerzensgeld soll er in die Lage versetzt werden, sich zumindest für die eingetretenen Beeinträchtigungen Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen (vgl. Palandt/Grüneberg, § 253 BGB Rn. 4). Daneben soll dem Verletzten Genugtuung verschafft werden. Was konkret aufzuwenden ist, um einen entsprechenden Ausgleich leisten zu können und dem Opfer Genugtuung zu verschaffen, sagt das Gesetz leider nicht. Eine verbindliche, allgemein gültige Schmerzensgeldtabelle, in der festgeschrieben wird, welches Schmerzensgeld beispielsweise bei einem gebrochenen Arm, bei einem HWS-Trauma, einer Ohrfeige o.Ä. zu leisten ist, existiert nicht. Nach einer gesetzlichen Gliedertaxe, mit deren Hilfe einzelne oder mehrere Verletzungen bewertet und aufaddiert werden könnten, sucht man vergebens. Die Bemessung der Höhe eines zu leistenden Schmerzensgeldes steht vielmehr im Ermessen des im Streitfall mit der Entscheidung betrauten Gerichts, das sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes allerdings an Entscheidungen anderer Gerichte in vergleichbaren Fällen zu orientieren hat. Vergleichbare Verletzungen sollen vergleichbare Schmerzensgeldbeträge gewähren.

Annähernd vergleichbare Fälle sucht man allerdings zumeist vergebens. Getreu dem Motto „jeder Fall ist anders“ – weichen, Lebensläufe, Tatumstände und Verletzungsfolgen regelmäßig voneinander ab. Andere gerichtliche Entscheidungen können daher nur einen ersten Ausgangspunkt bilden. Wichtig ist daneben, Unterschiede, insb. zusätzliche Beschwerungen herauszuarbeiten, um zu dem in Einzelfall angemessenen Betrag zu gelangen. Mögliche Faktoren für die Schmerzensgeldbemessungen können z.B. die erlittenen Verletzungen, die Dauer der notwendigen Heilbehandlung, verbleibende Dauerschäden, die Gefahren von Spätschäden (die sich derzeit noch gar nicht abzeichnen), die Umstände der Tat, die Auswirkungen der Verletzungen auf das soziale Leben, Heilungschancen, Belastungen durch die notwendige Heilbehandlung, das Alter des Opfers, bilden. Wichtig ist hierbei der ausreichende Vortrag: Gerade im außergerichtlichen Bereich und im Bereich von Verkehrsunfällen muss dem Schädiger bzw. dem Sachbearbeiter einer bestehenden Versicherung eine am Besten bildhafte Vorstellung der bestehenden Beeinträchtigungen vermittelt werden (was im Einzelfall auch die Vorlage von Fotos der erlittenen Verletzungen bedingen kann), will man ein entsprechend hohes Schmerzensgeld zu erstreiten. Nicht zuletzt mit dem Blick, dass gerade im außergerichtlichen Bereich durch entsprechend geschickte Argumentation, oft ein „gutes“ Schmerzensgeld erstritten werden kann, sollten frühzeitig alle Register und Argumente gezogen werden. Wir helfen hierbei gerne.

Zum Abschluss des Themas ein kleiner Schmerzensgeldüberblick – zitiert nach Hacks/Wellner/Häcker

– 19 jähriges Opfer, Oberarmbruch mit 6tägiger stationärem Aufenthalt, Komplikationen im Heilbehandlungsverlauf, erhebliches Mitverschulden des Opfers
Schmerzengeld nach OLG Saarbrücken (Urteil v. 01.03.2011) 1.500,00 €
– missglückte Dauerwellenbehandlung
Schmerzensgeld nach AG Elze (Urteil v. 22.12.1993) 400,00 €
– Verlust einer Augenlinse, Opfer 15jähriger Junge
Schmerzensgeld nach OLG Köln (Urteil v. 27.10.1995) 2.500,00 €

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Krankheitskostenversicherung

Wenn der Versicherer Leistungen verweigert – Kostenerstattung bei LASIK-Operation!

Brillen und Kontaktlinsen sind heute nicht mehr der einzige Weg vorhandene Fehlsichtigkeiten zu korrigieren: In den zurückliegenden Jahren sind LASIK Operationen, bei denen mittels eines Lasereingriffs eine Änderung der Hornhautkrümmung erreicht und damit vielfach das Brille-Tragen entbehrlich wird, immer beliebter geworden. Die Kosten für die Operation sind im Vergleich zu Brillen durchaus beachtlich. Glücklich also der, der auf eine private Krankheitskostenversicherung zurückgreifen kann … oder aber eben auch nicht. In vielen Fällen verweigern die Krankheitskostenversicherer die Übernahme der Kosten für die LASIK Operation und viele Gerichte sind dem bislang gefolgt. Teilweise wird der Anspruch auf Übernahme der Kosten mit dem Hinweis darauf verweigert, dass eine Fehlsichtigkeit gerade im mittleren Alter typischerweise auftritt, also Teil des natürlichen Alterungsvorgangs ist und bei geringer ausgeprägten Fehlsichtigkeit gerade keine behandlungsbedürftige Krankheit darstellt. Andere Gerichte sprechen der LASIK-Operation – zumeist unter Hinweis auf das Ergebnis eingeholter Sachverständigengutachten – die medizinische Indikation ab: die Fehlsichtigkeit könnte im Einzelfall genauso gut mit dem Tragen einer Brille beseitigt werden. Andere Gerichte problematisieren, dass die LASIK Operation zwar in der Zwischenzeit zu den anerkannten Behandlungsmethoden bei Fehlsichtigkeit gehört, aber im Vergleich zu Brillen und Kontaktlinsen immer noch mit erheblichen Operations-Risiken behaftet ist. Es sei durch die LASIK Operation auch nicht in jedem Fall sichergestellt, dass im Anschluss eine Brille nicht mehr notwendig ist oder dauerhaft eine bestehende Fehlsichtigkeit beseitigt wird. Aufgrund der größeren Risiken und des unsicheren Operationserfolges handle es sich bei den Kosten der LASIK-Operation nicht um die Kosten einer notwendigen Heilbehandlungsmaßnahme i.S. der Versicherungsbedingungen.

Der Verneinung der Erstattungsfähigkeit von LASIK-Kosten im Rahmen einer bestehenden Krankheitskostenversicherung ist nun der Bundesgerichtshof (Urteil vom 29. März 2017, Az. IV ZR 533/15) entgegengetreten. In seiner Entscheidung, die zu einer Zurückverweisung des Verfahrens an die vorhergehende Instanz geführt hat, führt der Bundesgerichtshof aus, dass es für die Auslegung des in den Versicherungsbedingungen der Krankheitskostenversicherung verwandten Krankheitsbegriffs – wie bei Versicherungsverträgen generell – auf das Begriffsverständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ankommt. Dieser darf annehmen, dass bei nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung der Sehfähigkeit eine Krankheit vorliegt. Die weitergehende Frage, ob es sich bei der LASIK-Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handelt, deren Kosten der Versicherer zu tragen hat, kann nach Einschätzung des Bundesgerichtshofes nicht einfach mit dem Hinweis auf die Möglichkeit und die Üblichkeit des Tragens von Brillen und Kontaktlinsen verneint werden. Bei Brillen und Kontaktlinsen handle es sich – anders als bei der LASIK-Behandlung – lediglich um medizinische Hilfsmittel, mit denen die gegebenen körperlichen Einschränkungen über längeren Zeitraum aufgefangen werden könnten, mit denen die eigentliche Ursache der Beeinträchtigung jedoch nicht behandelt werden könnten. Hilfsmittel und Heilbehandlung können jedoch in der Krankenkostenversicherung nicht gleichgestellt werden. Zumindest ergäben sich aus den dem Vertrag zugrundeliegenden Bedingungen für den Versicherungsnehmer keine Anhaltspunkte dafür, dass es für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Heilbehandlungskosten darauf ankäme, ob medizinische Hilfsmittel die gegebenen Beeinträchtigungen auffangen könnten.

Verweigert Ihr Versicherer bislang die Übernahme der angefallenen Kosten für die Augen-Operation, lohnt es sich nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes nun möglicherweise nochmals näher nachzufassen!

Trennungsunterhalt

Kleine Einführung in das Unterhaltsrecht

Als erste Orientierung für den „Ernstfall“, werden wir in den nächsten Wochen einige Grundbegriffe des Unterhaltsrechts näher erläutern.

Aus der mit der Eheschließung begründeten Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft folgen wechselseitige Unterhaltspflichten der Ehegatten. Diese unterteilen sich – abhängig vom Status der Ehe – in

den Familienunterhalt, den Trennungsunterhalt und den nachehelichen Unterhalt.

Die drei Unterhaltstatbestände unterscheiden sich hierbei nicht nur im Inhalt der Unterhaltspflicht, sondern vor allem in den Voraussetzungen sowie im Bezugsrahmen für die gegebenen Unterstützungspflichten.

Teil 1 – Familien- und Trennungsunterhalt

So wird Familienunterhalt von der Heirat bis zur Trennung der Ehegatten geschuldet. Er ist anders als der Trennungs- und nachehelichen Unterhalt nicht auf eine laufende Geldzahlung gerichtet und setzt anders als die übrigen Unterhaltstatbestände keine Bedürftigkeit, also Mittellosigkeit, des anderen Ehegatten voraus. Konzipiert ist der Anspruch vielmehr als gegenseitige umfassende Verpflichtung der Ehegatten durch ihre Arbeit oder ihr Vermögen alles das auf- und einzubringen, was beide Ehegatten nach ihren gemeinsamen Planungen zur Deckung der Haushaltskosten, des Lebensbedarfs ihrer gemeinsamen Kinder sowie der persönlichen Bedürfnisse benötigen.

Ab der Trennung der Ehegatten, die unter engen Voraussetzungen auch innerhalb der Ehewohnung erfolgen kann, bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe schuldet der leistungsfähige Ehegatte dem auf Unterstützung angewiesenen, bedürftigem Ehegatten Trennungsunterhalt. Der Unterhaltsanspruch ist auf eine monatlich im Voraus zu leistende Geldzahlung gerichtet, bei deren Bemessung die bisherigen ehelichen Lebensverhältnisse zugrunde gelegt werden. Maßgebend ist also der Lebensstandard der Beteiligten aus der Zeit ihres Zusammenlebens. Dieser Lebensstandard soll möglichst auch in der Trennungszeit für beide Partner aufrechterhalten bleiben. Gerechtfertigt wird dies trotz der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft aus der Überlegung, dass das Ende der Ehe auch bei einer Trennung noch nicht abschließend feststeht, Versöhnungsmöglichkeiten bestehen bzw. nicht behindert werden sollen. Die mit der Ehe ursprünglich übernommene wechselseitige Verantwortung der Ehegatten wirkt in dieser Phase, anders als nach der Scheidung, noch stark fort. Dies gilt insb. im ersten Trennungsjahr: So ist, sofern keine lediglich kurze Ehe in Rede steht, z.B. der in der Ehe nicht vollerwerbsfähige Ehegatte hier regelmäßig nicht verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder eine bestehende Erwerbstätigkeit auszubauen, um sich damit selbst versorgen zu können. Nur in Sondersituationen trifft den Ehegatten eine Erwerbsobliegenheit.

Die konkrete Höhe des Unterhaltsanspruchs wird grundsätzlich mit Hilfe des sog. Halbteilungsgrundsatz ermittelt: Da beide Ehegatten am ehelichen Standard in gleicher Weise teilnehmen, ist jedem bei der Aufteilung des Einkommens Hälfte des insgesamt vorhandenen, verteilungsfähigen Einkommens zuzubilligen. Dem erwerbstätigen Ehegatten wird allerdings in Bezug auf sein Erwerbseinkommen ein sog. Erwerbstätigenbonus von 1/7 gewährt. Ist also nur einer der Ehegatten berufstätig, wird zur Unterhaltsberechnung zunächst das um Verbindlichkeiten bereinigte Einkommen beider Ehegatten ermittelt und sodann gegenübergestellt. Aus dem Differenzbetrag erhält der weniger verdienende Ehegatte grundsätzlich einen Anteil von 3/7.

Die Aufteilung des von den Ehegatten erzielten Einkommens erfolgt allerdings nicht unbeschränkt. Auch bei der Pflicht zur Unterhaltszahlung gibt es eine „Opfergrenze“: Dem Unterhaltsschuldner muss in jedem Fall ein Betrag verbleiben, mit dem er seinen eigenen Lebensbedarf decken kann. Dieser sog. Selbstbehalt liegt bei einem Erwerbstätigen aktuell bei 1.200,00 €. Liegt das Einkommen unter diesem Betrag wird Unterhalt mangels Leistungsfähigkeit nicht geschuldet.

Auch beim Erreichen des Selbstbehaltes sind Unterhaltsansprüche dann ausgeschlossen bzw. beschränkt, wenn vorrangige Unterhaltsverpflichtungen bestehen. So geht der Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder dem Anspruch des Ehegatten auf Trennungsunterhalt vor.

Wer der Ehegatten als erster aus der Ehe ausschert, spielt für die Frage des Unterhaltsanspruchs dagegen grundsätzlich keine Rolle. Auch der Ehegatte, von dem die Trennung ausgeht, kann daher bei Bedürftigkeit Unterhaltsansprüche geltend machen.

Unterhaltszahlungen können nur für die Zukunft beansprucht werden. Zur Sicherung der eigenen Ansprüche ist es daher wichtig, ausdrücklich Unterhaltszahlungen gegenüber dem Ehegatten geltend zu machen. Um im Streitfall die Anforderung und deren Zeitpunkt belegen zu können, sollte Unterhaltszahlungen schriftlich geltend gemacht werden.

Trennungsunterhalt wird nur bis zur Rechtskraft der Scheidung geschuldet. Hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte seinen Anspruch auf Trennungsunterhalt vorab durch einen gerichtlichen Beschluss titulieren lassen, so verliert dieser Unterhaltstitel mit der Rechtskraft der Scheidung seine Wirkung. Auf dieser Grundlage können weitere Zahlungen vom geschiedenen Ehegatten nicht geltend gemacht und durchgesetzt werden. Nach der Scheidung besteht unter engen Voraussetzungen ein Anspruch auf nachehelicher Unterhalt, der nach der Scheidung gesondert verfolgt werden muss.

Um das Bestehen von Unterhaltsansprüchen überhaupt prüfen zu können, haben die Ehegatten einen Anspruch auf Auskunft über die Einkommenssituation ihres Ehegatten und einen Beleganspruch. Wird die Auskunft nicht erteilt oder nicht vollständig erteilt, kann die Offenlegungspflicht auch gerichtlich durchgesetzt werden.

Der Anspruch auf Trennungsunterhalt hat nach den gesetzlichen Bestimmungen einen besonderen Stellenwert: Anders als auf nachehelichen Unterhalt kann auf den Trennungsunterhalt bzw. auf die Geltendmachung von Familien- und Trennungsunterhalt genauso wenig wie auf die Geltendmachung von Familienunterhalt nicht wirksam verzichtet werden. Auch im Rahmen eines Ehevertrages ist ein solcher Verzicht nicht möglich. Ein gleichwohl von einem Ehegatten erklärter Verzicht hindert diesen daher nicht, dennoch Unterhalt zu beanspruchen.

Für Detailsfragen steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Rolf Schwarz, Fachanwalt für Familienrecht zur Verfügung.

Ausschlussklauseln und Mindestlohn

Freud und Leid! Ausschlussklauseln sind sowohl von Arbeitnehmern, als auch von Arbeitgebern ernst zu nehmen. Im Zuge des Mindestlohngesetzes hat die Rechtsprechung nun neue Anforderungen an die Formulierung von Ausschlussklauseln herausgearbeitet. Im Einzelnen:

Ausschlussklauseln finden sich heute eigentlich in jedem Arbeitsvertrag – meist am Ende zu Beginn der Schlussbestimmungen. Trotz des Platzes in der „zweiten Reihe“ der Vertragsbedingungen sind die Wirkungen der Ausschlussklauseln nicht zu unterschätzen. Die Klauseln führen zu einem vorzeitigen, schnellen Verfall von eigentlichen begründeten Ansprüchen im Arbeitsverhältnis. Die Untergrenze für zulässige Verfallsfrist beträgt dabei 3 Monate – nicht lang, insbesondere wenn man bedenkt, dass man ohne Verfallsklausel regelmäßig 3 Jahre Zeit hat, nicht befriedigte Ansprüche auch gerichtlich vor Eintritt der Verjährung geltend zu machen. Beachtet man die Ausschlussklauseln nicht, sind die Ansprüche unwiederbringbar verloren. Es lohnt sich also vor der Unterschrift eines Arbeitsvertrages nach möglichen Fallstricken und Ausschlussklauseln Ausschau zu halten, um nicht böse überrascht zu werden.

Wegen der erheblichen Folgen müssen Ausschlussklauseln jedoch besonderen formalen Anforderungen genügen. Die Klauseln dürfen sich z.B. nicht an versteckter Stelle unter unscheinbarer Überschrift (z.B. „Sonstiges“) finden, müssen Mindestfristen einhalten (grundsätzlich 3 Monate) und müssen Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen und grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Arbeitgebers ausdrücklich vom Verfall ausnehmen.

Nun hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 24.08.2016, 5 AZR 703/15) zudem klargestellt, dass auch Lohnansprüche nach dem Mindestlohngesetz, die in jedem (!!!) Lohnanspruch stecken, ausdrücklich von Ausschlussklauseln ausgeklammert werden müssen. Dies gilt zumindest für Verträge, die nach Einführung des Mindestlohngesetzes abgeschlossen wurden. Werden die Mindestlohnansprüche nicht ausdrücklich ausgenommen, ist die Ausschlussklausel insgesamt (!) unwirksam. Die Klausel entfaltet dann keinerlei Wirkung, so dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis noch bis zum Verjährungseintritt geltend gemacht werden können.

Arbeitgeber, die noch alte, lieb gewonnene Vertragsmuster verwenden, müssen daher nun aktiv werden. Arbeitnehmer können mit Ausschlussklauseln konfrontiert im Gegenzug entspannt durchatmen.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Pflichtverteidiger

– was’n das und wie komm ich dran?

Was wäre ein guter amerikanischer Krimi ohne Festnahme und der nachfolgenden Belehrung des Festgenommenen   „Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht, zu jeder Vernehmung einen Verteidiger hinzuzuziehen. Wenn Sie sich keinen Verteidiger leisten können, wird Ihnen einer gestellt. Haben Sie das verstanden?“
Vielleicht gründen sich aus den bekannten Vorabendserien auch die Vorstellung vieler hierzulande, dass bei strafrechtlichen Ermittlungen und beschränkten finanziellen Mitteln ein Anspruch auf Stellung eines Pflichtverteidigers besteht. Im deutschen Recht sind die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Pflichtverteidiger auf Staatskosten gestellt wird, allerdings wesentlich enger. Die fehlende Möglichkeit, die Kosten für einen Verteidiger selbst aufzubringen, begründet als solches kein Recht auf einen Pflichtverteidiger. Maßgeblich ist vielmehr die Schwere der gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfe sowie gegebenenfalls andere persönliche Einschränkungen des Beschuldigten, die vermuten lassen, dass er seine Verfahrensrechte im Strafverfahren selbst nicht sachgerecht wahrnehmen kann.

So ist ein Pflichtverteidiger z.B.
– dem Verdacht eines Verbrechens, also bei Delikten mit einer im Gesetz vorgesehenen Mindestfreiheitsstrafe von 1 Jahr Gefängnis (z.B. Kapitalverbrechen wie Totschlag oder Mord, Meineid, Raub, Sexualstraftaten),
– bei Straftaten, bei denen die Verurteilung zu einem Berufsverbot führen kann,
– bei Untersuchungshaft des Beschuldigten oder
– bei einer Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder Entziehungsanstalt zu bestellen. Weiterhin kommt die Bestellung eines Pflichtverteidigers in Betracht, wenn der Beschuldigte aufgrund der Schwere der Tat und der Komplexität der Sach- und Rechtslage, sich selbst nicht hinreichend verteidigen kann. Hier können im Einzelfall schon Sprachschwierigkeiten einen Anspruch auf Bestellung eines Pflichtverteidigers rechtfertigen.

Bis auf die letzte Fallgruppe, erhält der Beschuldigte in einem Strafverfahren spätestens mit der Zustellung der von der Staatsanwaltschaft bei Gericht eingebrachten Anklage einen Hinweis, auf die notwendige Bestellung eines Pflichtverteidigers und sein Recht, einen eigenen Anwalt auszusuchen und zu benennen, der ihm dann als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Es ist dann beim Betroffenen einen Anwalt seines Vertrauens zu kontaktieren, um diesen mit der Pflichtverteidigung betrauen zu lassen. Kommt man der eröffneten eigenen Wahl und Benennung nicht nach, ordnet das Gericht einen Anwalt aus der Pflichtverteidigerliste bei.

Der Hinweis auf den Verteidiger indiziert die erheblichen Folgen des Verfahrens. Bei solchen Hinweisen werden Sie bitte in eigenem Interesse tätig. Es geht um keine Kleinigkeit! Nutzen Sie die Möglichkeit, sich Ihren Verteidiger selbst auszuwählen.

Strafverteidiger oder Pflichtverteidiger gesucht?

wir können helfen!

Eine Vorladung zur Vernehmung, einen Strafbefehl oder eine Anklage erhalten? Haftbefehl im Umlauf? festgenommen worden? in Haft?

Auch wenn instinktiv das Bedürfnis besteht, zu den erhobenen Vorwürfe Stellung zu nehmen und die Sache richtig zu rücken…

es empfiehlt sich, regelmäßig zunächst von seinem Recht Gebrauch zu machen, sich nicht zur Sache äußern zu müssen. Es ist nicht Ihre Aufgabe, die  im Raum stehenden Vorwürfen zu entkräften, sondern zunächst Sache der Strafverfolgungsbehörden, das Vorliegen eines strafbaren Verhaltens zu belegen. Vorschnell gemachte Angaben lassen sich im weiteren Verfahren möglicherweise nicht mehr relativieren. Es empfiehlt sich jedenfalls vor der Abgabe einer Einlassung im Strafverfahren Einblick in die Ermittlunsgakte und damit in das bisherige Ergebnis der Ermittlungen zu nehmen. Hierbei hilft ein Strafverteidiger, dem das Recht auf umfassende Akteneinsicht zusteht. Dem Beschuldigten selbst wird ein Einblick in die Akte nicht gewährt.

Wir stehen als Strafverteidiger und Pflichtverteidiger in allen Verfahrenstadien (Ermittlungsverfahren, Zwischenverfahren, Strafbefehlsverfahren, Hauptverfahren, Strafvollstreckung, Haft) an Ihrer Seite.

In dringenden Fällen erreichen Sie uns hierbei auch außerhalb der regulären Bürozeiten. Unser Strafverteidiger-Notruf (Rechtsanwalt Schwarz) ist erreichbar unter 0173 9735831.

Betriebliches Eingliederungsmanagement

– schon mal gehört?

Irgendwie stößt man in den letzten Jahren zunehmend auf den Begriff des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, kurz BEM genannt. Zielsetzung, Ablauf und Bedeutung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements scheinen jedoch weder Arbeitgebern, noch Arbeitnehmern vollständig bekannt zu sein. Bei Arbeitnehmern begründet die Einladung zum BEM oftmals die diffuse Angst vom kurzfristigen Ende des Arbeitsverhältnisses. Es ist also Zeit, das betriebliches Eingliederungsmanagement mal näher ins Auge zu fassen.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung des BEM finden sich im Schwerbehindertenrecht. Trotz dieses Standorts greifen die Regelungen für alle Arbeitnehmer – ungeachtet eines vorhandenen oder nicht vorhandenen Grades der Schwerbehinderung. Gem. § 84 SGB IX sind danach Arbeitgeber verpflichtet, (allen) Beschäftigten die innerhalb eines Jahres – nicht notwendig innerhalb eines Kalenderjahres – mehr als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt waren, ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten. Ziel des BEM ist, die Arbeitsfähigkeit eines (erkrankten) Arbeitnehmers schnellstmöglich wiederherzustellen bzw. weiteren krankheitsbedingten Ausfällen vorzubeugen und die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters dauerhaft zu sichern. Es gilt nach der Auswertung des Arbeitsplatzzuschnitts mögliche betriebliche Ursachen für die Erkrankungsfälle bzw. die Arbeitsunfähigkeit ausfindig zu machen und mit geeigneten Mitteln, z.B. der Umgestaltung des Arbeitsplatzes, der Arbeitsabläufe, der Einbindung von anderen Arbeitsmitteln bzw. anderen Hilfsmitteln oder der Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz, entsprechende Ursachen zu beseitigen bzw. betriebliche Risikofaktoren auszuschalten. Unter Fürsorgegesichtspunkten kann ein Arbeitgeber insoweit verpflichtet sein, seinem Arbeitnehmer einen leidensgerechten, seinen vorhandenen Einschränkungen Rechnung tragenden, Arbeitsplatz einzurichten. Um vorhandene Möglichkeiten der Hilfestellungen ausschöpfen zu können, kann in diesem Zusammenhang die Hinzuziehung von Betriebsärzten, Krankenkassen, Rentenversicherungsträgern und Integrationsämtern angezeigt sein.
Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich einem BEM zu stellen, besteht allerdings nicht. Die Teilnahme am BEM ist für den Arbeitnehmer vielmehr stets freiwillig. Wenn seinerseits kein Interesse besteht, ist das BEM nicht durchzuführen. Auf die Freiwilligkeit ist im Rahmen der Einladung des Arbeitgebers zum Betrieblichen Eingliederungsmanagements ausdrücklich aufmerksam zu machen. Die Krankendaten des Arbeitnehmers sind im Rahmen des Verfahrens sensibel zu behandeln; es ist sicherzustellen, dass die Krankendiagnosen dem Arbeitgeber nicht offenbart werden.
Die Ablehnung der Durchführung eines BEM durch den Arbeitnehmer birgt – ungeachtet der vorgegebenen Freiwilligkeit – gewisse Gefahren für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses: Mit der Verweigerung eines BEM nimmt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber letztlich die Möglichkeit, einen Arbeitspatz zu schaffen, auf dem der Arbeitnehmer trotz womöglich tatsächlich gegebener Einschränkungen, bestenfalls auch zukünftig eingesetzt werden kann. Ist der Arbeitnehmer allerdings dauerhaft nicht in der Lage, die ihm arbeitsvertraglich übertragenen Tätigkeiten auszuführen, oder besteht die Prognose weiterer dauerhafter oder wiederholter Ausfälle, so begründet dies möglicherweise die Grundlage für eine personenbedingte Kündigung.
Bietet der Arbeitgeber trotz entsprechender Verpflichtung kein BEM an, so verschlechtern sich seine Möglichkeiten zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses trotz erheblicher Arbeitsausfällen. Zwar gehört die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht zu den Voraussetzungen für den Ausspruch einer (personenbedingten) Kündigung. Die Kündigung eines Mitarbeiters unter der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ist jedoch nur dann wirksam, wenn es mildere Mittel als Reaktion auf Ausfallzeiten des Arbeitnehmers nicht gibt. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses darf nur die letzte Lösungsmöglichkeit darstellen. Vor dem Ausspruch der Kündigung sind mildere Mittel auszuschöpfen. Ein milderes Mittel wäre die Umgestaltung des Arbeitsplatzes, deren Bedingungen im Rahmen des BEM zu ermitteln und zu erarbeiten wären. Fehlt es an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement, hat der Arbeitgeber bei Streit im Kündigungsschutzverfahren darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers auch bei Durchführung des tatsächlich nicht angebotenen BEM nicht erhalten werden konnte.
Ist ein BEM durchgeführt worden, so muss es ordnungsgemäß mit den notwendigen Belehrungen durchgeführt worden sein, um seine Wirkungen entfalten zu können.
Beim Fehlen oder Fehlern drohen ggfls. sogar Schadenersatzansprüche betroffener Arbeitnehmer. Dies gilt insb. bei langfristig erkrankten Mitarbeitern, die nach Auslaufen der Entgeltfortzahlung, Krankengeld oder nach Auslaufen des Krankengeldes Arbeitslosengeld beziehen. Hätte ein betriebliches Eingliederungsmanagement und die an seinen Ergebnissen vielleicht anknüpfende Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder Versetzung die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters wiederherstellen können, kann der Arbeitnehmer bei Verschulden des Arbeitgebers im Einzelfall die Differenz zwischen seinem Normalverdienst und den geringeren Sozialleistungen als Schadenersatz geltend machen.
Das BEM bietet also Risiken und Chancen, sowohl für Arbeitnehmer, als auch für Arbeitgeber. Bei Fragen stehen wir gerne zur Verfügungen.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Leitfaden Mietrecht

Nach denen vor einigen Wochen die häufigsten Irrtümer im Arbeitsrecht im Blickpunkt standen, soll es heute mit den Stolperfallen im Mietrecht weitergehen!

  1. Mit dem Benennen von 3 Nachmietern kommt man ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus einem Mietvertrag heraus!

… das ist doch Gewohnheitsrecht, oder?! Mitnichten! Auch das Gesetz sieht eine derartige Möglichkeit zur vorzeitigen Lösung der Vertragsbeziehung grundsätzlich nicht vor. Es ist danach zunächst allein eine Sache der Verhandlung mit dem Vermieter, ob sich dieser bereitfindet, das Mietverhältnis früher, gegebenenfalls nach der Benennung eines oder mehrerer finanziell potenter Nachmieter, zu beenden. Nur im Ausnahmefall, wenn besondere unvorhersehbare Umstände das Festhalten des Mieters an den regulären Kündigungsfristen unbillig erscheinen lassen, hat der Mieter mit der Stellung von zumutbaren Nachmietern einen Anspruch auf eine frühere Entlassung aus dem Mietverhältnis. Letzteres wird regelmäßig nur bei befristeten Mietverhältnissen bzw. bei einem begrenzten Verzicht auf die Möglichkeit zur ordentlichen Beendigung des Mietverhältnisses der Fall sein, also in Fällen verlängerter Kündigungsfristen oder länger fortdauernder Mietverhältnisse. Ansatzpunkt für eine Unbilligkeit kann hier möglicherweise eine unvorhergesehene berufliche Versetzung ins Ausland oder vielleicht eine schwere Erkrankung bilden.

  1. Der Mieter hat immer für die Durchführung der Schönheitsreparaturen zu sorgen.

Der Begriff der Schönheitsreparaturen ist missverständlich, eigentlich handelt es sich um keine Reparaturen im engeren Sinn. Schönheitsreparaturen zielen vielmehr lediglich auf die Beseitigung gewöhnlicher Abnutzungserscheinungen, sie umfassen nur das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen.

Nach der gesetzlichen Grundregel obliegen dem Vermieter die Schönheitsreparaturen. Er ist verpflichtet, die Wohnung während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Soll „ausnahmsweise“ der Mieter die Schönheitsreparaturen erbringen, so bedarf es daher einer entsprechenden vertraglichen Abrede zwischen Vermieter und Mieter. Die meisten Formularmietverträge enthalten eine solche Überwälzungsklausel. Allerdings ist nicht jede dieser Klauseln wirksam. Kritisch sind zum einen Klauseln, die die Arbeiten des Mieters an starre Fristen binden, unabhängig davon ob ein Renovierungsbedarf besteht oder nicht, zum anderen Klauseln, die den Mieter zu Schönheitsreparaturen verpflichten, obwohl dieser die Wohnung in nicht renoviertem Zustand ohne jedes Zugeständnis (z.B. mietfrei für die Zeit der Renovierung) übernommen hat.

  1. Das Mietverhältnis endet mit dem Tod des Mieters.

Mit dem Tod ist nicht alles vorbei! Der Bestand des Mietverhältnisses wird durch den Tod des Mieters als solches nicht berührt, das Mietverhältnis wird lediglich umgestaltet, je nach dem ob der Mieter alleiniger Vertragspartner des  Vermieters war, alleine oder mit Ehegatten, Familienangehörigen oder Lebensgefährten in der Wohnung gelebt hat.

War der Mieter nicht alleiniger Mieter, so geht das Mietverhältnis auf den überlebenden Mieter über. Der Mit-Mieter hat allerdings ein Sonderkündigungsrecht.

Bei einem alleinlebenden Allein-Mieter treten mit seinem Tod dessen Erben in das Mietverhältnis ein. Diese haben – wie auch der Vermieter – die Möglichkeit, das Mietverhältnis unter Einhaltung einer Frist von einem Monat ab Kenntnis des Todes und des Übergangs des Mietverhältnisses fristlos zu kündigen.

Lebte der Verstorbene nicht alleine, so geht das Mietverhältnis primär (1) auf den im Haushalt des Verstorbenen mitlebenden Ehegatten oder Lebenspartner, (2) die im Haushalt mitlebenden Kinder oder weitere Familienangehörigen, ansonsten auf einen in der Wohnung mitlebenden Lebensgefährten über. Die Hausgenossen haben allerdings die Möglichkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses innerhalb einer Frist von einem Monat zu widersprechen. Geht das Mietverhältnis danach auf keinen Hausgenossen über, so treten auch hier die Erben in das Mietverhältnis ein.

 

  1. Mit der Kündigung des Mietverhältnisses kann die gestellte Mietkaution „abgewohnt werden“.

Nicht selten verlangen Vermieter die Stellung einer Mietsicherheit in Form einer Bürgschaft oder der Zahlung eines Geldbetrages (der allerdings drei Monatskaltmieten nicht übersteigen darf). Diese Mietsicherheit muss nicht unmittelbar mit dem Ende des Mietverhältnisses zurückgezahlt werden. Der Vermieter kann die Mietsache und mögliche Schadenersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache prüfen. Zudem steht regelmäßig noch eine Nebenkostenabrechnung aus, so dass der Vermieter wegen einer möglichen Nachforderung Beträge zurückhalten darf. Die Rechtsprechung billigt dem Vermieter nach dem Ende des Mietverhältnisses eine Prüfungsfrist von 3 – 6 Monaten zu. Während dieser Frist ist die Kaution noch nicht zur Rückforderung fällig, der Mieter kann die Kaution daher auch nicht nutzen, um sie mit den bis zum Mietende laufenden Mieten zu verrechnen! Schreitet der Mieter doch zur Realisierung der Mietsicherheit durch Abwohnen, riskiert er auch noch mit dem Blick auf das nahende Mietende eine fristlose Kündigung mit erheblichen Zusatzkosten und eine Zahlungsklage sowieso.

Zur Mietsicherheit noch Folgendes: Leistet der Mieter die geforderte Mietsicherheit bei Beginn des Mietverhältnisses nicht pflichtgemäß, so droht – soweit der Rückstand auf die Sicherheitsleistung zwei Monatsmieten umfasst – die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter!

 

  1. Beim Ende des Mietverhältnisses ist die Wohnung stets durch den Mieter zu renovieren.

Der Mieter hat mit dem Ende des Mietverhältnisses die während des Mietverhältnis von ihm eingebrachten Sachen zu entfernen sowie von ihm verursachte Schäden zu beseitigen und die Wohnung an den Vermieter (besenrein) wieder herauszugeben. In welchem konkreten Zustand die Wohnung zurückgegeben werden muss, sagt das Gesetz leider nicht explizit.  Zumeist finden sich hierzu formularmäßige Vorgaben im Mietvertrag, die jedoch nicht unkritisch sind. Unwirksam sind so z.B. – vgl. hierzu auch die Ausführungen zu Schönheitsreparaturklauseln – Klauseln, die dem Mieter in jedem Fall – ohne Berücksichtigung der Mietdauer und des Zustands der Wohnung – zur Auszugsrenovierung verpflichten. Tapeten müssen nach der Rechtsprechung ebenfalls nicht abgerissen werden, dagegen sind Wände mit ungewöhnlicher Farbgestaltung (z.B. schwer überstreichbares Rot!) zu überstreichen!

Also werfen Sie – Mieter oder Vermieter – vielleicht noch einmal einen kritischen Blick in das bestehende Vertragswerk. Es könnte sich lohnen.

Rechtsanwältin Dr. Benzenberg, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht